"Stahl Feuer!!!" - Die Fußballer des Stahl- und Walzwerkes Brandenburg zwischen politischer Anpassung und betrieblichem Eigensinn

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Klaedtke, Uta
Erschienen in:Sport in der DDR. Eigensinn, Konflikte, Trends
Veröffentlicht:Köln: Sport u. Buch Strauß (Verlag), 2003, S. 237-270, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
DDR
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200407002007
Quelle:BISp

Abstract

Gegenstand der von Verf. vorgestellten Fallstudie ist das Verhältnis von Sport und Industrie unter den gesellschaftlichen Bedingungen der ehemaligen DDR. Um die weitreichenden sportpolitischen und wirtschaftspolitischen Verflechtungen des Stahlwerkes und seiner Sektion Fußball innerhalb der Betriebssportgemeinschaft (BSG) aufzuzeigen, wurde umfangreiches, sowohl BSG-internes als auch partei- und kontrollpolitisches Aktenmaterial ausgewertet. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Trägerbetriebes und der Stadt Brandenburg werden die Gestaltungen professioneller clubähnlicher Strukturen und Trainingsbedingungen nachgewiesen, die offiziell nicht vorgesehen waren. Der betriebliche Sport ergänzte von Anfang an die Arbeitswelt der Stahlwerker. Mit dem 1952 erbauten Stadion in unmittelbarer Nähe des Stahlwerkes am Rande der Stahlwerksiedlung war die wichtigste Voraussetzung geschaffen, dass die Stahlwerker den Fußballsport für sich entdecken konnten. Die Popularität des Fußballsports schlug sich schon frühzeitig in die Gewährung von Vergünstigungen für die Akteure wider. Je mehr die Fußballer vom Arbeitsprozess freigestellt wurden, umso stärker verwandelte sich für sie ihre bisherige Freizeitbeschäftigung in Arbeit. Auf diese Weise entwickelten sich Profistrukturen, wenn auch verdeckt, wie in den Fußballklubs der DDR. 1984 gelang der Betriebssport-Fußballmannschaft Stahl Brandenburg der Aufstieg in die Oberliga der DDR. Der Generaldirektor des Stahl- und Walzwerkes Brandburg förderte den Fußballsport seiner BSG besonders: für gewonnene Spiele bekamen die Spieler Prämien. Zusätzlich waren die Sportler im Werk angestellt, um zu spielen. Sie erhielten ein Gehalt entsprechend ihrer beruflichen Qualifikation, übten jedoch diese Tätigkeit, für die sie zum Schein bezahlt wurden, nicht aus. Mit dem fünften Platz in der Gesamtwertung im zweiten Jahr der Oberligazugehörigkeit gelang der Stahl-Elf die Teilnahme am UEFA-Cup. Die Geschichte des Betriebsfußballs spiegelt die Entproletarisierung der Fußballer innerhalb des Werkes wider. Mit den Erfolgen und Misserfolgen ist es Stahl Brandenburg gelungen, das regionale Selbstbewusstsein zu stärken. 1992 wurde das E-Werk an den italienischen Stahl-Konzern Riva verkauft und das SWB ging in Liquidation. Mit der Stilllegung des Altwerkes wurde die Tradition des Stahlstandortes Brandenburg endgültig gebrochen. Weinke