Mehrfachtätigkeit bei alltagsnahen Handlungen am Beispiel von simuliertem Autofahren

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Wechsler, Konstantin Clemens
Gutachter:Bock, Otmar Leo; Koch, Iring
Veröffentlicht:Köln: 2021, XI, 72 S., Lit.
Forschungseinrichtung:Deutsche Sporthochschule Köln / Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Hochschulschriftenvermerk:Köln, Dt. Sporthochsch., Diss., 2021 (kumulativ)
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Elektronische Ressource (online) Gedruckte Ressource
Dokumententyp: Graue Literatur Hochschulschrift Dissertation
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU202103002049
Quelle:BISp

Abstract des Autors

Mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten ist eine beeindruckende zentrale Fähigkeit der menschlichen Kognition. Seit Jahrzehnten werden verschiedenste Modelle und Theorien in Labor-und Praxisexperimenten entwickelt und geprüft, um die zugrundeliegenden Mechanismen und deren Auswirkungen auf das menschliche Handeln zu verstehen. Es gilt als gesichert, dass die Performanz der Aufgaben unter Mehrfachtätigkeitsbedingungen leidet. Auf wen dies in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen zutrifft und welche Gründe es dafür gibt, ist allerdings noch nicht vollständig erforscht. Bisherige Studien zur Mehrfachtätigkeit fokussierten sich meist auf eine hochkontrollierte Laborumgebung zur Optimierung der klar interpretier- und attribuierbaren Ergebnisse, vernachlässigten jedoch die ökologische Validität der Aufgaben und ließen damit Zweifel an der Übertragbarkeit der Befunde in die Realität. Demnach ist unklar, wie sich im Labor etablierte Phänomene in alltagsnahen Situationen darstellen. Für die vorliegende Dissertation wurden entsprechend valide Aufgaben und eine immersive Experimentumgebung verwendet, um diese Forschungslücken zu bearbeiten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Simulationen der Tätigkeiten Autofahren (Artikel I, II, III) und Straßenqueren (Artikel IV) genutzt, um Mehrfachtätigkeitsdefizite in alltagsnahen Situationen zu untersuchen. Die Straßenverkehrssituationen wurden mittels immersiver Technik (Simulation in virtueller Realität) und unter Verwendung ökologisch valider Aufgabenpräsentiert. In Artikel I und IV traten sowohl bei jungen als auch bei älteren Probanden Mehrfachtätigkeitsdefizite auf, wenn gleichzeitig wechselnde Zweitaufgaben bearbeitet wurden. Diese Defizite zeigten keinen klaren Zusammenhang mit der Reizmodalität, weswegen möglicherweise auf verschiedene Ursachen der Defizite in den einzelnen Aufgaben geschlossen werden kann. Die altersbedingten Mehrfachtätigkeitseffekte decken sich nur zum Teil mit denen aus früheren Studien, manifestieren sich aber besonders in sicherheitsrelevanten Parametern der Fahrleistung und des Gangbildes. Aufgrund der nicht eindeutigen Ergebnismuster kann keine uneingeschränkte Übertragbarkeit der gefundenen Ergebnisse aus klassischen Laborexperimenten in alltagsnahe Situationen festgestellt werden. Für Artikel II wurde die Methodik früherer Fahrsimulationsstudien repliziert und erweitert, um bisher nicht untersuchte Charakteristika zu beleuchten. Die Verwendung einer abstrakten ersten und ökologisch validen zweiten Aufgabe führte zu einer Verkürzung der ersten und Verlängerung der weiten Reaktionszeit. Der damit gefundene Effekt der psychologischen Refraktärzeit ist durch eine Änderungsstrategie im Antwortmuster und damit einer Verlängerung der Verarbeitungsgeschwindigkeit der ersten Aufgabe zu erklären. In Artikel III wurde statt eines abstrakten, ein ökologisch valider und relevanter erster Reiz verwendet. Das gefundene Ergebnismuster könnte auf eine Antwortgruppierung und eine damit verbundene verlängerte Verarbeitungszeit hindeuten. Die erhöhte Komplexität und Priorisierung der ersten Aufgabe könnte ein Grund für die Verlängerung beider Reaktionszeiten im Vergleich zu Artikel II sein. Insgesamt betrachtet kann eine teilweise Übertragbarkeit früherer Ergebnisse aus klassischen Laborergebnissen in alltagsnahe Situationen konstatiert werden. Es scheinen zahlreiche Faktoren entscheidende Rollen beim Auftreten von Mehrfachtätigkeitsdefiziten zu spielen, deren Identifikation, Differenzierung und Verständnis dringend notwendig sind, damit die Ergebnisse möglicherweise optimaler in tatsächlich reale Situationen übertragen werden können.