Bestechlichkeit und Bestechung von Sportschiedsrichtern – eine Straftat?

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Krack, Ralf
Erschienen in:Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik
Veröffentlicht:6 (2011), 6, S. 475-481, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1863-6470
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201701000748
Quelle:BISp

Einleitung

I. Einleitung
Die Manipulation von Sportereignissen durch die Bestechung von Schiedsrichtern oder Spielern hat in der öffentlichen Wahrnehmung über einen längeren Zeitraum keine Rolle gespielt. Nach der Aufarbeitung des „Bundesligaskandals“ aus dem Jahr 1971 wurde in den Medien über ähnliche Manipulationen nicht berichtet. Das änderte sich schlagartig, als im Jahr 2004 der mit dem Namen des involvierten Schiedsrichters Hoyzer verbundene Tatkomplex bekannt wurde. Die strafrechtliche Aufarbeitung erfolgte durch die Anknüpfung an die Wetten, die auf die manipulierten Spiele abgegeben worden waren. Die Wettenden wurden wegen Betrugs zum Nachteil der Lottogesellschaft verurteilt, die bestochenen Schiedsrichter und Spieler wegen Beihilfe zum (Wett-)Betrug belangt. Nach dem für ein Revisionsverfahren eher spektakulären Verlauf der Verhandlung gegen Hoyzer und andere vor dem BGH im November 2006 kehrte wieder Ruhe ein, bevor ein deutlich größerer (aber weniger beachteter) Komplex bekannt wurde, der die Manipulationen von Fußballspielen in den Jahren 2007 und 2008 betrifft. Vor dem Landgericht Bochum liefen in diesem Jahr zwei Strafprozesse gegen jeweils mehrere Angeklagte. Auch in diesem Zusammenhang geht es um Betrug gegenüber Wettanbietern, der darauf beruhen soll, dass Schiedsrichter, Spieler und Co-Trainer dafür bezahlt worden sind, auf den Spielverlauf Einfluss zu nehmen. Daneben hat ein weiterer Verdacht der Schiedsrichterbestechung die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erreicht: Der THW Kiel hat im April 2007 das Finale der Handball- Champions League gegen die SG Flensburg gewonnen. Der damalige Manager und der damalige Trainer des THW stehen im Verdacht, die Schiedsrichter der Partie durch die Zahlung eines hohen fünfstelligen Eurobetrages bestochen zu haben. Dieser Verdacht ist Gegenstand eines Hauptverfahrens vor dem LG Kiel. Die Besonderheit dieses Falles liegt darin, dass die strafrechtliche Erfassung nicht über einen Betrug zu Lasten eines Wettanbieters erfolgen kann. Die beiden Angeklagten sollen die Schiedsrichter bestochen haben, um endlich den Titel zu gewinnen – von Wetteinsätzen ist nichts bekannt. Die Anklage der StA Kiel lautet einerseits auf Untreue zu Lasten des Vereins, weil das Bestechungsgeld verschleiert von einem Vereinskonto stammen soll. Andererseits ist ein Betrug zu Lasten der EHF (Europäische Handballföderation) sowie der SG Flensburg angeklagt – dieser Vorwurf knüpft an die Auszahlung der Siegprämie in Höhe von 320.000 Euro an den THW Kiel an. Die große Überraschung erfolgte dann seitens des Gerichts im Zwischenverfahren. Zwar hat die Kammer ebenfalls hinreichenden Tatverdacht angenommen, jedoch die angeklagte prozessuale Tat materiellrechtlich teilweise abweichend beurteilt: Während die Bejahung der Untreue und die Ablehnung eines Betrugs mangels Täuschung noch im Bereich des für möglich Gehaltenen lagen, hat die Anwendung des nicht angeklagten § 299 Abs. 2 StGB – Bestechung im geschäftlichen Verkehr – sehr überrascht. Um diese Rechtsfrage soll es in diesem Beitrag primär gehen. Liegt die 5. Strafkammer des LG Kiel mit ihrer Einschätzung richtig, dass die Bestechung (und damit auch die Bestechlichkeit) von Sportschiedsrichtern durch § 299 StGB erfasst wird? Es gibt also einen aktuellen Anlass, als Beitrag zum fünfjährigen Jubiläum der ZIS gleichsam die Fortsetzung meines Aufsatzes zum Hoyzerskandal aus dem Jahr 2007 zu veröffentlichen. Er behandelt außer § 299 StGB (II.) auch einen Gesetzesentwurf (§ 6 SportSG-E), der die Schiedsrichterbestechung erfassen soll (III.). Die nachfolgenden Ausführungen sind auf nationale Schiedsrichtereinsätze im Fußballbereich zugeschnitten. Ein relevanter Unterschied etwa zum Handballbereich dürfte nicht bestehen.