Fremdheit im Sport : ein theoretischer Entwurf. Erscheinungsformen, Erklärungsmodelle und pädagogische Implikationen

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Bibliographische Detailangaben
Englischer übersetzter Titel:Otherness in Sport : a theoretical approach
Autor:Seiberth, Klaus
Veröffentlicht:Tübingen: 2010, 264 S., Lit.
Herausgeber:Universität Tübingen / Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Hochschulschriftenvermerk:Tübingen, Univ., Diss., 2010
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Elektronische Ressource (online) Gedruckte Ressource
Dokumententyp: Hochschulschrift Dissertation Graue Literatur
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201106005016
Quelle:BISp

Abstract

Wenn Menschen verschiedener Nationalitäten und Sprachen zusammen Sport treiben und dies störungsfrei funktioniert, dann wird dies in der Regel als Nachweis für die besondere Integrationskraft des Sports gelesen. Der Sport habe – so wird behauptet – einzigartige Potentiale Menschen zusammenzubringen. Betrachtet man jedoch den Sozialraum Sport etwas näher, so lässt sich der Eindruck gewinnen, dass der Sport und Wettkampfalltag vielfach anders aussieht, als es die ideellen Vorstellungen suggerieren. So geben verschiedene Studien Grund zu der Annahme, dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht in dem Maße in das Sportsystem integriert sind, wie es die (sport-)politischen Rhetoriken gerne glauben machen möchten. Im Gegensatz zu den populären Integrationsideologien liegt der Arbeit der kritische Anspruch zugrunde, den Möglichkeitsraum Sport über das Aufzeigen seiner Grenzen zu kennzeichnen. Erkenntnisleitend ist die Frage, wie sich Fremdheit im Sport kennzeichnen und erklären lässt. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung werden einem ersten Kapitel die für das Thema relevanten sportwissenschaftlichen Diskurse und Forschungstraditionen sowie Erkenntnisse und Veröffentlichungen seit den 1950er Jahren dargestellt. Dabei wird deutlich, dass trotz einer vergleichsweise langen Zuwanderungsgeschichte und trotz der Herausforderungen, die sich dadurch für das Sportsystem in der Bundesrepublik ergeben haben, kaum Analysen von Fremdheitsphänomenen im Sport vorliegen. Auf der Grundlage eines sozial-konstruktivistischen Zugangs wird Fremdheit in einem zweiten Kapitel als soziale Konstruktion von Wirklichkeit analysiert. Unter Bezugnahme auf klassische und gegenwärtige soziologische Fremdheitsdiskurse bestimmt das dritte Kapitel Fremdheit als Gegenstand näher. Identifiziert werden allgemeine Merkmale, Entstehungsbedingungen und Mechanismen. Diese werden im Rahmen eines Analysemodells zusammengeführt, welches Fremdheit als Beziehungserfahrung, Ordnungsstifter und Symbolträger kennzeichnet. Das vierte Kapitel bildet das Kernstück der Arbeit. Ausgangspunkt dieses Kapitels ist die Verortung von Fremdheitsphänomenen im Sport. Die Analysen identifizieren drei Bezugspunkte von Fremdheit im Sport: den Körper, den Lebensstil und die Sportorganisation. Der Körper repräsentiert insofern einen zentralen Bezugspunkt von Fremdheit im Sport, als er im Mittelpunkt sportlicher Interaktionen steht. Insbesondere die vergleichsweise geringe Relevanz verbaler Kommunikationsprozesse macht den Körper zum zentralen Erfahrungssubjekt und -objekt sowie zum Handlungs- und Darstellungsmedium. Im Sport fungiert Körper in hohem Maße als Projektionsfläche für Fremdheit sowie für kulturalistische Zuschreibungen, Deutungsmuster und Bewertungen. Mit der Einführung der Lebensstil-Perspektive ändert sich der Fokus grundlegend, da nun die selbstgewählte Verortung von Personen im Sozialraum Sport in den Mittelpunkt tritt. Am Beispiel des Sports wird nachgezeichnet, dass Lebensstile nicht bedingungslos aneinander anschließbar sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Vielfalt an Sportpraktiken, -räumen und -verständnissen neben Anschlussmöglichkeiten eben zugleich auch konkurrierende Ordnungen produziert. Die Analysen machen schließlich deutlich, dass Fremdheitsphänomene nicht unabhängig von der Organisation betrachtet werden können, in denen Sport getrieben wird. Der Blick auf Sportvereine als besondere Organisationsformen zeigt, dass jenseits formeller Ordnungen von Offenheit und Gleichheit informelle Grenzen von Integration und Potentiale von Fremdheit bestehen können. Die Analysen geben Grund zu der Annahme, dass die Werte und kategorialen Unterscheidungen, die der Vereinskultur zugrunde liegen, Einfluss auf die Konstruktion des Fremden haben. In dem Maße, in dem Fremde als potentielle Bedrohung angesehen werden, werden Abwehr- und Abgrenzungsprozesse in Gang gesetzt. Das fünfte Kapitel fragt schließlich nach pädagogischen Implikationen und Konsequenzen. Auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Interkulturellen Pädagogik und dem Diversity-Diskurs werden Möglichkeiten des konstruktiven Umgangs mit Fremdheit und Vielfalt im Sport herausgearbeitet und kritisch diskutiert. Verf.-Referat

Abstract

From a public perspective, sport activities appear to hold a natural or universal ability to bring people together and make strangers feel welcome. The image of sport as a global medium of understanding is widespread. For example, sport is often assumed to be a universal vehicle to assist in the integration of immigrants and/or post-migrants. However, after careful analysis of the practices involved in sport, one has to recognize that hopes for integration in, and through, sport and claims that sport can be delivered to all do not always conform with reality. Considering the political rhetoric and its preference for positive effects, phenomena like exclusion, practices of discrimination, racism and demarcation, as well as feelings of not-belonging and otherness should not exist in sport. Numerous cases, however, have revealed experiences of otherness, resulting in indifference and antagonism. For this reason, the purpose of the thesis is to examine barriers and elements leading to otherness in sport. The research calls for explanatory models and characteristics related to the phenomena of otherness in sport. In order to achieve this purpose, the thesis was divided into five chapters. In the first chapter, relevant scientific discourses and research traditions since the 1950s in Germany are reviewed. This review demonstrates the fact that there are very few studies that explicitly address the phenomena of otherness in sport. Based on a constructivist perspective, the second chapter reflects otherness as a social construction of reality. Considering classical and current sociological approaches and characterizations, the third chapter identifies general characteristics, emergent conditions, and generative mechanisms of otherness. As a result of this process, an explanatory model is developed. This model classifies otherness as a construction of interaction, experience, and as regulatory and symbolic. The fourth chapter represents the core of the thesis. It aims at localizing otherness in the field of sport. For this reason, three points of reference for otherness in sport are uncovered: physicalness, lifestyle, and sport Organization. Based on the assumption that experiences of difference and otherness in sport are always associated with physical appearance, the chapter focuses on the body as a central point of reference in sport. Moreover, the body in sport and its function as an object and subject of experience appear to be a symbolic platform for many (stereotyped) attributions and allegations. A sociological discussion of lifestyles and their meanings for sport explores another important perspective. Consequently, limits of integration are also the result of individual preferences and priorities. This perception is very important for the field of sport. As sport has become a stage for various (life)styles and expressive models, there is a high risk of incompatibility. Although sport offers opportunities for multiple preferences, this does not mean, that sport cannot (re)produce experiences of contradiction as well as practices of (self-)exclusion. The study shows that phenomena of otherness are always associated with the organizational setting of sport. On a level of social responsibility and political involvement, the integration of migrants or post-migrants has been identified as one objective of sport and sport organizations. Although sport clubs are formally accessible to everyone, they operate on an informal level on the basis of their club culture. This club culture can have a huge impact on constructions of otherness and affiliation. This culture has the potential to include and to exclude people on an informal level. As such, the more sport clubs refer to club culture and traditions, the harder it becomes for new members who are perceived as being different. Finally, the fifth chapter discusses pedagogical implications and consequences. Referring to the diversity-approach and to the intercultural education-approach, productive options of dealing with otherness and diversity in sport are identified and reflected. Verf.-Referat