Die Gründungsgeschichte des Instituts für Körpererziehung : die Rolle der ersten Direktorin Elli Tetschke in den Anfangsjahren

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Kremer, Hans-Georg
Erschienen in:Jenaer Beiträge zum Sport
Veröffentlicht:2006, 11, S. 2-28, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
DDR
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201102001345
Quelle:BISp

Abstract

Mit der Berufung von Elli Tetschke wurde erstmals in der Geschichte der universitären Sportlehrerausbildung in ganz Deutschland eine Frau Direktorin eines entsprechenden Instituts. Nach bisherigem Kenntnisstand blieb sie dies auch bis zum Ende ihrer Amtszeit. Die Entscheidung für sie war eine rein politische, die den geringen Stellenwert der Körpererziehung als Wissenschaft zum damaligen Zeitpunkt nicht nur in Jena wiederspiegelte. Zum zweiten Mal, so wie 1934, als ein "bewährter NSdAP-Kader" zum ersten Direktor des Instituts für Leibesübungen berufen wurde, prägte eine rein politische Entscheidung die Gründung des Jenaer Universitätsinstitutes für die Ausbildung von Sportlehrern. Dies wirkte sich nachhaltig auf die Gründungsjahre des Instituts aus und hatte auf den Stamm der Lehrkräfte bis zur politischen Wende 1989 direkten Einfluss. An das wiedereröffnete Institut kamen junge, dynamische Lehrkräfte der letzten Kriegsjahrgänge, die zum Teil noch Kampfhandlungen als Soldaten und die Gefangenschaft miterlebt hatten. Ihnen fehlte weitgehend die berufliche Praxis, und sie hatten sich vielfach wegen ihrer erfolgreichen Sportbiografien gegen Konkurrenten durchsetzen können. Auf Grund des stark wachsenden politischen Stellenwertes des Sports in der 1949 gegründeten DDR, als wichtigen Identifikationsfaktors für diesen Staat, bekam auch der Sportunterricht Anfang der fünfziger Jahre eine stärkere Gewichtung im Fächerkanon der Schulen. Das brachte einen erhöhten Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften mit sich. Ihre Biografie als VdN ausnutzend, gelang es der ersten Direktorin des Instituts innerhalb kürzester Zeit, eine Personal- und Finanzausstattung zu erreichen, die Jena neben Halle zu einem führenden Institut in der damaligen DDR entwickelte. In der zweiten Hälfte ihrer Amtszeit verspielte sie als Leiterin diese günstige Ausgangsposition durch ihre fehlende Fähigkeit, die wissenschaftliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu steuern und wirksame Arbeitsstrukturen am Institut zu entwickeln und durchzusetzen. Dies führte in der Zukunft teilweise zu einer eingeschränkten fachlichen Spezialisierung auf einzelne wenige Sportarten. In der letzten Phase ihrer Amtszeit war ihr ganzes Engagement auf den Erhalt ihres Direktorenpostens gerichtet. Durch eine wechselnde Begünstigung und Bestrafung einzelner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schuf sie ein Klima des Misstrauens und der fachlichen Stagnation. Dabei gelang es ihr ganz geschickt unter Ausnutzung ihres Alters, sie war fast doppelt so alt wie ihre meisten Mitarbeiter, ihrer scheinbaren SED-konformen Leitungspolitik und ihrer Opferrolle in der Zeit zwischen 1933 - 1945, alle Kritiken an ihrer Arbeitsweise von den verschiedensten Leistungs- eben abzuwehren. Erstaunlich ist, dass der sonst so einflussreiche Parteiapparat an der Universität sich gegen sie erst 1956, auch da nur teilweise, durchsetzen konnte und ihre Absetzung erreichte. An dieser Entwicklung von 1951 - 1956 waren einige Mitarbeiter nicht ganz unbeteiligt. Es gelang ihnen, mit wechselnden Gruppierungen einen Teil der inner- betrieblichen Abläufe zu bestimmen und aus den Leitungsschwächen der Direktorin eigenen Nutzen zu ziehen. Dabei ging es häufig nicht um ideelle oder ausbildungsmäßig begründete Zielstellungen, sondern um kleine materielle Vorteile wie Prämien, Leistungszulagen, Lehraufträge und ähnliches. Auch dies wurde von der Direktorin genutzt, um die Hauptakteure. die ihre Position hätten gefährden können, zu disziplinieren.
Der erst drei Jahre nach Tetschkes Absetzung berufene neue Direktor hatte ein schweres Erbe anzutreten. Trotz anfänglicher Widerstände einiger Mitarbeiter war die Mehrheit froh, dass jetzt nach innen klare Strukturen entwickelt wurden und nach außen das Institut aus seinem teilweise schlechten Leumund kam. Lange angestautes wissenschaftliches Potential führte dazu, dass das Jenaer Sportinstitut unter Leitung seines zweiten Direktors in rascher Folge über eigene promovierte Mitarbeiter verfügen konnte. Damit wurden die Grundlagen geschaffen, dass Jena in den siebziger und achtziger Jahren neben der DHfK in Leipzig und Halle zu einem bedeutenden sportwissenschaftlichen Zentrum der DDR wurde. Die starke politische Ausrichtung der Anfangsjahre seit der Institutsgründung blieb aber, genauso wie die Mehrzahl der Mitarbeiter aus dieser Zeit, bis zur politischen Wende 1989 erhalten. Verf.-Referat