Aspekte der ästhetischen Erfahrungen im Sport

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Röthig, Peter
Erschienen in:International, inklusiv, interdisziplinär : Perspektiven einer zeitgemäßen Sportwissenschaft
Veröffentlicht:Münster: Hofmann (Verlag), 2007, S. 287-301, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201003002613
Quelle:BISp

Abstract

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Sportwissenschaft als akademisches Forschungsfeld angeboten, sich gleichzeitig aber auch jeder Aussicht auf vollständiges Erklären und Begreifen des eigenen Gegenstandsfeldes verweigert. Die menschliche Bewegung, auch die des Sports, bewahrt offensichtlich einen letzten Rest von Geheimnis, gleichsam einer Verborgenheit, die sich der nomothetisehen Erfassung und totalen Erklärbarkeit des Phänomens entzieht. Doch finden viele Erklärungsansätze immer dann ihre Grenzen, wenn Phänomene der Bewegung auftauchen, die mit den Mustern der Forschungsmethodik nicht ausgedeutet werden können. Außerhalb solcher methodologischen Zurichtungen verläuft die Gesamtheit der jeweiligen Bewegungshandlungen in einer ihr originären subjekt- und situationsspezifischen Weise und gewinnt dadurch auch ihre jeweils charakteristischen Ausdrucks- und Bedeutungsgehalte. Vielfach sind dies jene Gehalte, die erfahren, erspürt, gedeutet und verstanden werden müssen und die für den Handlungsablauf oft weit mehr bedeuten, als erklärbare Konstrukte oder leibferne Lehrsätze. Die Probleme, die sich über solche Gehalte auftun, verweisen auf den musischen Kern der Bewegungshandlung und somit auf Fragen wie Ganzheit, Gestaltung, Ausdruck, Rhythmus, Ästhetik u. Ä. m. Dergleichen Fragen fordern jedoch ein holistisches Nachdenken über Phänomene von Bewegung, Leib-/Körperlichkeit und deren spezifischen Bildungs- und Erziehungsakte heraus. In den folgenden Ausführungen sollen Betrachtungen dieser Art versucht werden. Das nunmehr über 200-jährige vertiefte Nachdenken über Körper- und Bewegungsthematiken hat zu einer recht eigentümlichen Mischung zwischen durchdachtem Begreifen und formaler Festlegung und Klassifizierung von körperlichen Phänomenen geführt. Der menschliche Leib und seine Bewegungen waren in der Fachgeschichte einerseits das Entdeckungsfeld verschiedener mechanischer Systeme von Körper- und Bewegungsübungen, die man entwarf, plante, beschrieb, über seitenlange Auflistungen gliederte, systematisierte und ordnete, auch hinsichtlich bestimmter ästhetischer Gehalte, andererseits aber auch – wie in der romantischen Pädagogik – eine Entdeckung von pathischen und sinnlichen Bezirken des Subjekts, von Gemütskräften der individuellen Innerlichkeit und deren Ausdruckshaftigkeit. Gegenwärtig lassen sich im Fachgebiet – trotz gewisser Schwerpunktsetzungen, Problemschattierungen und Aspektbevorzugungen – zwei Diskussionslinien erkennen. Die eine beruht auf einem Ästhetikverständnis, das sich vorwiegend an den für sportmotorische Fertigkeiten und Techniken verbindlichen Normfestlegungen orientiert und deren Maßstäbe vom jeweils wandelbaren Zeitgeschmack beeinflusst sind. Bestimmte Körperbilder und Bewegungsstile gelten als perfekt und werden auch als "schön" attribuiert (Schönheitsästhetik). Die andere Auffassung diskutiert vorwiegend auf der Basis anthropologischer und pädagogischer Prinzipien und interpretiert das Ästhetische im Bewegungshandeln als einen spezifischen vom Individuum erzeugten, gestalteten, geprägten und dessen Gefühls- und Vorstellungsgehalte repräsentierenden Sinn, durch den Wahrgenommenes und Erlebtes zur Darstellung gebracht werden kann (Gefühlsästhetik). Im Folgenden sollen die beiden Sichtweisen kurz erörtert werden. Aus der Einleitung (geändert)