Heysel, Hillsborough und die Folgen: Die Fan-Bewegung in Großbritannien

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Ticher, Mike
Erschienen in:"Holt Euch das Spiel zurück" Fans und Fußball
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 1995, S. 213-224
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Fan
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201001001222
Quelle:BISp

Abstract

Die gesamte Geschichte des britischen Fußballs lässt sich Verf. zufolge zu einem gewissen Maße anhand von zwei Daten erklären: 29. Mai 1985 und 15. April 1989. Die Ereignisse von Heysel und Hillsborough, oder besser die Reaktionen darauf, haben den britischen Fußball und das Verhältnis der Fans ihm gegenüber innerhalb von nur zehn Jahren grundlegend verändert. Die Entwicklung der Fan-Bewegung ist unmittelbar von den Katastrophen in Heysel und Hillsborough geprägt worden, so dass ihre Stärken und Schwächen ohne die Berücksichtigung dieser Ereignisse kaum zu verstehen sind. 1985/86 befand sich besonders der englische Fußball in seiner tiefsten Krise seit langem. Die gesamte Zuschauerzahl der Saison, die seit 1968 jedes Jahr abgenommen hatte, erreichte mit 16 Mio. einen neuen Tiefpunkt. 1967/68 hatte sie noch 30 Mio. betragen. Aus der Mischung der Gefühle von Schuld, Empörung und Ohnmacht nach Heysel entstand die Entschlossenheit einiger Fans, sich nicht länger als bloße Objekte behandeln zu lassen, die die Verantwortung für die Probleme des Fußballs allein zu tragen hätten. Diese Fans wollten nicht nur über Hooliganismus in der Öffentlichkeit vernünftiger sprechen, als dies damals üblich war, sondern auch völlig neue Themen aufarbeiten. Dazu gehörten z. B. der Rassismus unter Fans und Funktionären, das Verhalten der Polizei, die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen in den Stadien und das Recht der Fans, Einfluss auf die Politik ihrer Vereine auszuüben. Konkret führte dies zu den folgenden beiden Entwicklungen: 1. Gründung der Football Supporters Association (FSA) 1985 in Liverpool. 2. Veröffentlichung von auf der Tradition der Musik-Fanzines basierenden Fußball-Fanzines durch kleine Gruppen von Fans. Die Hillsborough-Tragödie und der Taylor-Report, der diese Tragödie im Auftrag der Regierung untersuchte, hatten folgende Konsequenzen: 1. Mit Beginn der Saison 1994/95 durften in den Stadien der Premier League und der Esten Divsion (2. Liga) keine Stehplätze mehr angeboten werden. Dieser Forderung nach einer Versitzplatzung fielen u. a. die legendären Stehtribünen The Kop (Liverpool) und Stretford End (Manchester United) zum Opfer. 2. Gleichzeitig wurden fast alle Zäune um die Spielfelder herum abgebaut. 3. Die Haltung in Sicherheitsfragen änderte sich wesentlich. An die Stelle von einst Hunderten Polizisten traten z. T. von den Vereinen selbst ausgebildete Ordner in der Absicht, das Verhältnis zu den Fans zu verbessern, statt auf Konfrontation zwischen Fans und Polizei zu setzen. Da der Abbau der Stehplätze nicht von den Vereinen, sondern über den Taylor-Report von der Regierung initiiert worden war, und aus dem nach der Hillsborough-Tragödie auch unter den Fans verbreiteten Gefühl heraus, dass sich jetzt alles ändern müsste, wurde gegen den Abbau der Stehplätze kaum gekämpft. Im Gegenteil, nach einer im Fanzine „When Saturday Comes“ im August 1994 veröffentlichten Meinungsumfrage waren 80 % der Leser mit den Veränderungen im eigenen Stadion i. A. zufrieden. Verf. zufolge sollte das über die Veränderungen angelockte neue Fußballpublikum von den Fans nicht als Bedrohung, sondern als Chance betrachtet werden: „Die Aufgabe der Fan-Bewegung in Großbritannien muß jetzt sein, die noch engstirnigen und kurzsichtigen Vereine zu überzeugen, dass es noch mehr Möglichkeiten gibt, um die Menschen in die Stadien zu locken, die die Vereine noch nie im Blick hatten.“ Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)