Fußball unterm Hakenkreuz

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Havemann, Nils
Erschienen in:Aus der Geschichte lernen : Dokumentation des Symposiums "Fußball unterm Hakenkreuz" der Evangelischen Akademie Bad Boll in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußball-Bund am 7./8. April 2006
Veröffentlicht:Bad Boll: Evangelische Akademie Bad Boll (Verlag), 2006, S. 42-50
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200912007778
Quelle:BISp

Abstract des BISp

Der DFB setzte sich bei seiner Gründung im Jahr 1900 das Ziel, den damals neumodischen und teilweise heftig angefeindeten Fußballsport in Deutschland populär zu machen. Mit einer betont unideologischen Grundhaltung versuchte der DFB dabei, sich von den konkurrierenden sozialistischen oder konfessionellen Sportverbänden in Deutschland abzusetzen. Obwohl unideologisch, war der DFB stets hoch politisch. Allerdings beschränkte sich sein politischer Charakter ab der Weimarer Zeit darauf, optimale Bedingungen für den deutschen Fußball und für seine eigene Organisation zu schaffen. Der DFB zählte gegen Ende der Weimarer Republik mehr als eine Million Mitglieder, und die größte Angst seiner führenden Repräsentanten bestand darin, dass dieses große, stolze Gebäude wieder auseinanderbrechen könnte. Gerade deshalb bemühte sich der DFB, jede Form von Parteipolitik oder Ideologiestreit aus seiner täglichen Arbeit herauszuhalten. Zur Schaffung der optimalen Voraussetzungen gehörte aus der Perspektive des DFB vor allem ein solides wirtschaftliches Fundament. Dieses war für den Verband deshalb von so großer Bedeutung, weil sich der Fußball zunächst einmal die Grundlagen für seine Ausübung schaffen musste. Dabei besaß der DFB entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung keine nationalkonservative Ausrichtung, sondern folgte in seinen Entscheidungen vielmehr unabhängig von den politischen Vorstellungen einzelner Funktionäre der kühlen Logik einer Lobbyorganisation: Im Zweifel hatten die eigenen Interessen und die eigene Existenzfähigkeit Vorrang vor irgendwelchen gesamtgesellschaftlichen oder gemeinnützigen Zielen. Gerade wegen dieser Fixierung auf seine eigenen Interessen stellte sich der DFB nach der Machtergreifung nahezu geschlossen hinter das neue NS-Regime. Zunächst gehörte der DFB zu den großen Nutznießern der nationalsozialistischen Revolution in Deutschland. Nie zuvor schien er so groß, einheitlich und stark gewesen zu sein wie in den ersten Jahren nach der Machtergreifung. Auch in Sachen Judenpolitik folgte der DFB der grausam-kühlen Logik eines Lobbyverbandes, der ausschließlich seine eigenen Interessen im Blick behielt. Statt den Ausschluss aller jüdischen Fußballspieler aus den Vereinen zu fordern, was u. a. einen unnötig hohen Verlust an Mitgliedern zur Folge gehabt hätte, beschränkte sich der DFB auf die Forderung, Juden in führenden Vereinsstellungen ihrer Posten zu entheben. Damit war gleichzeitig die Hoffnung verbunden, der ungeliebten Profibewegung den endgültigen Todesstoß zu versetzen. Denn gerade den Vereinen, die sich vor 1933 für die Einführung des Berufsfußballs eingesetzt hatten, standen häufig Juden voran. Somit folgte der DFB in seinen Entscheidungen gegenüber den Juden keinem fanatischen, mit Vernichtungswillen einhergehenden Antisemitismus, aber er trug dennoch mit seinem Beschluss gegen die jüdischen Funktionäre zur Ausgrenzung der Juden in Deutschland bei. Diese Ausgrenzung war eine wesentliche Voraussetzung für den späteren Holocaust. Gleichzeitig sorgte die deutsche Fußballnationalmannschaft mit ihren Auftritten im Ausland mancherorts dafür, dass der verbrecherische Charakter des NS-Regimes zumindest zeitweilig in Vergessenheit geriet. Insgesamt trug der Fußball auf diese Weise dazu bei, dass sich das NS-Regime zwölf Jahre lang halten konnte. Die damit verbundene Begünstigung von Gewalt und Vernichtung lag sicherlich nicht in der Absicht des DFB und seiner Vereine; doch sie schauten über die alltäglichen Verbrechen aus den vielfältigsten Gründen hinweg – zumeist, weil sie weiterhin zu den Gewinnern der nationalsozialistischen Revolution von 1933 gehören wollten. (Schiffer) (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)