Der Wiener Klubfußball 1938 bis 1945

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Marschik, Matthias
Erschienen in:Hakenkreuz und rundes Leder : Fußball im Nationalsozialismus
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2008, S. 448-455, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200903001865
Quelle:BISp

Abstract

Die Einverleibung Östereichs in das Deutsche Reich führte zum Versuch der raschen Umgestaltung des gesamten Sportgeschehens. Allerdings wirkten viele dieser Maßnahmen nur mit Verzögerung auf die Wiener Fußballszene, die sich den Instrumentalisierungen der NS-Sportpolitik keineswegs kampflos ergab. Die Massenkultur des Wiener Fußballs konnte vom Nationalsozialismus nicht simpel vereinnahmt oder gar ausgeschaltet werden. Vielmehr kam es zu unterschiedlichen Arrangements, in denen der NS-Staat zwar der dominierende Part war, der Fußball, d. h. seine Vereine und Anhänger, jedoch keineswegs machtlos waren. Nur das jüdische Element der Wiener Fußballkultur bekam keine Chance auf ein Arrangement. Vielmehr erfolgte auch im Sport die Ausgrenzung alles Jüdischen rasch und effizient. Dabei ging man brutaler vor als im „Altreich“. So verfiel der jüdische Renommierklub Hakoah sofort der Auflösung. Ab dem 17. März 1938 häuften sich stolze Meldungen von Sportverbänden, Vereinen und Sportsektionen, bereits „judenrein“ zu sein. Nach Beendigung der Spieljahres wurde der Wiener Fußball im Sommer 1938 auf eine neue Basis gestellt. Der Professionalismus wurde abgeschafft, den Spielern wurden neue Jobs meist in der Wiener Gemeindeverwaltung zugewiesen, die Jugendabteilungen der Vereine wurden aufgelöst, der Nachwuchsfußball wurde komplett der HJ überantwortet. Die ersten nationalen Konfrontationen um die Hegemonie im deutschen Fußball konnten zugunsten Wiens entschieden werden. Zunächst gewann die Auswahl der „Ostmark“ im August 1938 das Fußballturnier beim Deutschen Turn- und Sportfest in Breslau, im November schlug dann die Austria die erstmals in Wien antretende deutsche Paradeelf von Schalke 04 mit 2:0. Schalke unterlag auch 1941 im Finale um die Deutsche Meisterschaft Rapid Wien mit 3:4 (nach 0:3 Rückstand). Selbst als die Theater, Kinos und Wirtshäuser längst geschlossen waren, wurde in Wien noch Fußball gespielt, auch wenn die Spieler und Anhänger stundenlange Fußmärsche zum Sportplatz zurücklegen mussten, weil keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr fuhren. Das letzte Spiel unter dem NS-Regime fand am 3. April 1945 statt: Der WAC schlug die Austria mit 6:0, als vom Süden Wiens bereits die sowjetische Artillerie hörbar war. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)