Rhythmen, Resonanzen und Missklänge : Über die Körperlichkeit der Produktion des Sozialen im Spiel

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Alkemeyer, Thomas
Erschienen in:Body turn : Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports
Veröffentlicht:Bielefeld: Transcript-Verl. (Verlag), 2006, S. 265-296, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200811004078
Quelle:BISp

Abstract

Am Beispiel des Fußballspiels wird in diesem Beitrag erstens die Bedeutung des Körpers für den Vollzug von Praktiken und Produktion sozialer Ordnung beschrieben. Zweitens werden verschiedene Theorien des Sozialen ausgehend von der vorher durchgeführten Analyse bezüglich eines angemessenen Beitrags von Körperlichkeit und Leiblichkeit untersucht. Am Beispiel der brasilianischen Fußballnationalmannschaft erläutert Verf. Rhythmen des Spiels, durch die die Grenzen zwischen den sozialen Motoriken zu verschwimmen scheinen. Fußball ist demnach keine bloße Aneinanderreihung von Eckbällen oder Torschüssen, es ist mehr ein ständiger Wechsel von erzeugten, differenzierten Prozessen der Akteure. Es gipfelt im Spielrausch, einer Synthese aller Mannschaftsspieler, in der eine gleiche Wellenlänge und Handlungsstruktur aufgegriffen und vollzogen wird. Eine Körperintelligenz und der praktische Sinn stellen hierbei die Basis. Situationen müssen gelesen und interpretiert werden, Körpersprache analysiert und Spielsituationen zeitgleich mit dem Vorhersehen der nächsten Aktion gespielt werden. Eine spielerische Kreativität ergibt sich aus der Gruppe heraus, wird nicht durch Lehrbücher verbreitet. Spielsysteme funktionieren nur über mitdenkende Spieler, der Rhythmus des eigenen Spiels lebt von den Akteuren. Bei Missklängen - ein Akteur findet aufgrund vielschichtiger Gründe nicht zu seinem Spiel - dauert der Verarbeitungsprozess zu lange, nachdenken und Veränderungen im System provozieren Missklänge und Rhythmusstörungen. Die Kontingenz und das Risiko sind der offene Zukunftshorizont, eine Reglementierung des Spiels und die Beziehung von Fuß und Ball. Der Ball ist hierbei ein Co-Akteur, der eigenwillig ist und den es unter Nutzung der eigenen Technik und technischer Hilfsmittel wie Fußballschuhen zu assimilieren gilt. Zu den Zuschauern herrscht eine kinästhetische Sympathie, diese haben durch ihre Position einen Überblick, stehen nicht unter Handlungsdruck wie die Spieler und ahnen so teils vorher, was der Spieler zu tun hat. Somatische Prozesse und Resonanzphänomene werden an dieser Beziehung erläutert. Zuschauer müssen beispielsweise empfänglich für das Spiel sein, um den Rhythmus aufnehmen zu können. Nur dann funktioniert die Teilhabe an der Lebensform, Konjunktion, Distinktion, Inklusion und Exklusion ergeben sich hieraus. Eine vom Sport ausgehende Theorie des Sozialen ist im Verf. mit der Ästhetik des Zeigens verbunden. Es werden im zweiten Abschnitt ausgehend von der vorherigen Analyse des Fußballspiels und den geformten Gedanken verschiedene Theoriekonzepte angesprochen und analysiert. Das Spiel selbst ist hierbei ein Aufzeigen, auf anderem Wege nicht gestikulierbar. Der Körper übernimmt einen performativen, entscheidenden Einfluss, das Spiel demonstriert wie viel praktische Intelligenz und Kreativität vorhanden sind. Das Spiel ist somit nach Verf. ein soziologisches Laboratorium, ein Modell zur Beobachtung und Beschreibung der wechselseitigen Konstitution von verkörperten Strukturen und Handlungen. Abschließend gibt der Verf. seine Gedanken zusammenfassend wieder und reflektiert vorherrschende Meinungen und Interpretationen dieser samt eines Ausblicks. Orthmann