Fußball und Politik seit 1954. Anmerkungen zur Geschichte eines eher peinlichen Verhältnisses

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Seitz, Norbert
Erschienen in:"Elf Freunde müsst ihr sein!": Einwürfe und Anstöße zur deutschen Fußballgeschichte
Veröffentlicht:Freiburg i. Br.: Haug (Verlag), 1995, S. 112-118
Herausgeber:Geschichtswerkstatt e. V.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200608002034
Quelle:BISp

Abstract

Der 4. Juli 1954 war ein eminent politisches Datum, obwohl weder die Politiker etwas mit dem Fußball noch die Fußballer etwas mit der Politik zu tun haben wollten. An jenem Tag wurde nämlich für manche ein triumphaler Endsieg symbolisch nachgeholt. Politisch gehört der 4. Juli 1954, der Tag des Wunders von Bern, in eine ereignishistorische Trias zwischen dem 17. Juni 1953, dem Tag des Arbeiteraufstandes in Ostberlin, und dem September 1955, der Kriegsgefangenenrückkehr aus Russland. Immer wieder standen dabei heldische Männer im Vordergrund: Die rebellischen Arbeiter, die sauberen und braven Kämpen um Fritz Walter sowie die geschundenen Kriegsheimkehrer. In der Berner Wunderelf sah sich eine ganze Nation als weltgeschichtliches „Stehaufmännchen“ idealisiert. Von 1954 veränderte sich das Verhältnis zwischen Politik und Fußball sprunghaft. Die Politik instrumentalisierte den Fußball zusehends und der Fußball ließ sich instrumentalisieren. Gewappnet durch den großen Erfolg entwickelte sich der deutsche Fußball zur Trutzburg gegen das europäische Profitum. Der Fußball wurde Verf. zufolge gleichsam zur Nische eines antiwestlichen Vorbehalts, ein Terrain, wo sich Ewig-Deutsches gegen die erzwungene Verwestlichung noch Geltung verschaffen konnte. Der Fußball wurde, anders formuliert, zum ruhenden Pol in Zeiten des Kalten Krieges. Erst nach dem zweiten WM-Titelgewinn 1974 kam es zu erneuten Umarmungen des Fußballsports durch die Politik. Der Sieg von Bern war inzwischen bereits Geschichte geworden, und manch einer hielt den Zeitpunkt für gekommen, Herberger und seine Mannen nun endgültig in die Walhalla der deutschen Nationalgeschichte zu überführen. Jedenfalls verdichteten sich Gerüchte, nach denen im Jahr 1977 der damalige baden-württembergische Landesvater Hans Filbinger die festliche Eröffnung des Staufer-Jahres direkt mit den Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag Seppel Herbergers verbunden wissen wollte. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)