Die Erfindung des Samstagnachmittags - WDR 2 und die Konferenzschaltung

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Eggers, Erik
Erschienen in:Wo das Fußballherz schlägt: Fußball-Land Nordrhein-Westfalen
Veröffentlicht:Essen: Klartext-Verl. (Verlag), 2006, S. 212-220
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200607001577
Quelle:BISp

Abstract

Fußballreportagen gibt es im deutschen Hörfunk seit 1925. Aber die Idee dazu entwickelte erst jener Mann, der die wohl berühmteste Reportage der deutschen Radiogeschichte sprach, als er am 4. Juli 1954 das „Wunder von Bern“ besang, den ersten Weltmeisterschaftstriumph der Deutschen: Herbert Zimmermann. Der Sportchef des NWDR in Hamburg war als Reporter bei den Olympischen Sommerspielen in Helsinki im Einsatz gewesen. Dort hatte er an einem Experiment des Expeditionsleiters Dr. Bernhard Ernst (Köln) teilgenommen. Ernst hatte für Sonntag, den 27. Juli 1952, eine Konferenzschaltung organisiert, um von drei wichtigen Wettkampfstätten gleichzeitig zu berichten – zumindest wirkte es so, da den Berichten, die abends gesendet wurden, so die Anmutung eines Live-Erlebnisses verliehen wurde. Nur zwei Monate später testete Zimmermann dieses Verfahren erstmals beim Fußball. Am 21. September 1952 berichteten sechs Sportreporter auf der Mittelwelle und über UKW-Nord in Konferenzschaltung jeweils von den wichtigsten Geschehnissen auf den Fußballfeldern der Oberliga Nord. Für den 19. Oktober 1952 kündigte dann der NWDR in Hamburg die erste Live-Schaltkonferenz an, die von fünf Oberliga-Spielen berichten sollte, mit Zimmermann als Moderator im Studio. Am 29. März 1953 wurden vier Spitzenspiele der Oberligen übertragen. Ausschnitte der Schlussphase der zweiten Halbzeit von 16.30 bis 16.45 liefen auf UKW West und Nord original. Am Ende der Saison wurden erstmals auch Endrundenspiele um die Deutsche Meisterschaft übertragen. Schon in den 1950er Jahren tobte der sog. Rundfunkkrieg zwischen den Sendern und dem DFB. Die Funktionäre forderten, gewissermaßen als Vorboten heutiger Zeiten, Geld für die Übertragung, das die Intendanten nicht zahlen wollten. Erst 1959 wurde ein vorläufiges Abkommen für die Ligaspiele und damit auch für die Schaltkonferenz getroffen: Die Rundfunkanstalten begnügten sich mit der zeitversetzten Sendung von Ausschnitten. Die wechselseitige Übertragung von zwei Spielen blieb auf das zweite Programm beschränkt. Ringsendungen, mit gleichzeitigem Anschluss von mehr als zwei Spielen, strahlte der Rundfunk frühestens 45 Minuten nach Spielende aus, sofern die Ringsendung länger als 20 Minuten war. Als im Sommer 1963 die Fußballbundesliga in ihre erste Saison startete, wurde diese Vereinbarung in wichtigen Punkten erweitert: Die zweite Halbzeit der Bundesligaspiele war zur Übertragung frei, es durfte jedoch nicht angekündigt werden, um welches Spiel es sich handelte. Bei Konferenzschaltungen (unter Anschluss von mehr als zwei Spielen) musste eine Karenzzeit von 45 Minuten nach Spielschluss eingehalten werden (wenn die Sendung länger als 20 Minuten dauerte). Als der WDR für den 1. Januar 1974 eine umfassende Programmreform umsetzte, sorgte der Sportchef dafür, dass die Bundesligasendung am Samstagnachmittag bereits um 15 Uhr begann. Dabei umging der WDR das Übertragungsverbot der ersten Halbzeit zunächst mit Hilfe von Korrespondenten, die per Telefon dem Studiomoderator die Torfolge aus den Stadien übermittelten, die dieser umgehend an die Hörer weitergab. Schon nach wenigen Wochen durchbrach der WDR die Schallmauer des Übertragungsverbots der ersten Halbzeit und ließ seine Hörer im Februar erstmals Originalüberragungen von Bundesligaspielen vor dem Halbzeitpfiff verfolgen. Die anderen Sender zogen, da der DFB nicht rebellierte, bald nach. Erst seit 1992 existiert die Bundesliga-Schlusskonferenz in der heutigen Form, in der alle Spiele und alle Tore live aufbereitet werden. Seit 2003 heißt die Sendung „Liga live“. Obwohl sich der einstige Hörfunk-Monopolist WDR den nordrhein-westfälischen Kuchen heute mit 44 privaten Lokalstationen teilen muss, ist es doch der WDR, der die größten Mythen, die von der Konferenzschaltung und ihren Reportern im letzten halben Jahrhundert handeln, produziert hat. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)