Die schönste Nebensache der Welt? - Über die Herstellung gesellschaftlicher Ordnung in Spiel(-Räumen)
Gespeichert in:
Autor: | Sobiech, Gabriele |
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Erschienen in: | Fußball in Geschichte und Gesellschaft : Tagung der dvs-Sektionen Sportgeschichte und Sportsoziologie vom 29.9.-1.10.2004 in Münster |
Veröffentlicht: | Hamburg: Czwalina (Verlag), 2006, S. 141-150, Lit. |
Forschungseinrichtung: | Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft / Sektion Sportgeschichte ; Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft / Sektion Sportsoziologie |
Format: | Literatur (SPOLIT) |
Publikationstyp: | Sammelwerksbeitrag |
Medienart: | Gedruckte Ressource |
Sprache: | Deutsch |
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Roger Callois hat als erster auf die Verflechtung zwischen Spielordnung und Gesellschaftsordnung verwiesen und damit die Möglichkeit einer von den Spielen ausgehenden Soziologie eröffnet. Nach Callois gibt es vier Grundprinzipien: Agon, der Wettkampf, Alea, der Zufall, Mimikry, Maske und Verkleidung, und Illinx, der Rausch. Entsprechend diesen Organisationsprinzipien existieren jew. verschiedene Einstellungen zum Spiel. So können die Spielenden bspw. in agonalen Spielen die Lust an Konkurrenz, Leistung und Rekord ausleben. Sie erhalten Gelegenheit, ihren Spielsinn zu entfalten, indem sie ihre Fähigkeiten ausspielen, ihre Kräfte gegen andere mobilisieren, sich körperlich durchsetzen und Regeln nach eigenem Vorteil deuten. Zugleich lernen sie, dass in Mannschaftsspielen nur über Kooperationen, dem Zuspiel zu Mitspielenden, ein Erfolg erzielt werden kann. Die genannten vier Organisationsprinzipien sind auch in der Alltagswelt zu finden: das Konkurrenzprinzip in Schule, Hochschule und Beruf, das Zufallsprinzip bei Spielbanken und Preisausschreiben, die soziale Darstellung mit Hilfe von Rollen, also Interaktionsrituale und Selbstpräsentationen und die Erzeugung außergewöhnlicher, rauschhafter Zustände bei Massenerlebnissen usw. Vor diesem Hintergrund beschäftigt Verf. sich mit dem Prinzip des Agon und dabei um die Frage, auch welche Weise sich ein(e) Spieler(in) in einem bestimmten Spiel-Raum positioniert und welche Ressourcen dabei hilfreich sind. Dabei gelangt Verf. u. a. zu der Erkenntnis, dass der erfolgreiche Erwerb von Spiel-Sinn stark abhängig von den Möglichkeiten und Grenzen des in der Sozialisation erworbenen Habitus und der mit ihm verfügbaren Ressourcen ist. Das Spiel kann als ein Vergesellschaftsmedium gelten: In Spielen wird Geschmack, d. h. bestimmte Vorlieben für bestimmte Typen von Spielen, erworben und damit eine quasi-natürliche Fähigkeit des Wählens und Handelns angesichts der sozial vermittelten Aufforderungen an die sozialen Akteure. Beim Spielen wettkampforientierter Sportspiele wie dem Fußballspielen können sich demnach elementare Prozesse der Herstellung gesellschaftlicher Ordnung im wahrsten Sinn des Wortes „abspielen“ und die Einübung in Sportspiele ist damit nicht einfach nur eine „Nebensache“. Präziser gefasst haben z. B. das immer noch von Jungen bevorzugte Fußballspiel und soziale Institutionen der Statusvergabe homologe konstitutive Prinzipien. Jungen können sich in den Spielen zugleich das aneignen, was als „männlich“ gilt und zur dominanten Kultur gehört: den Positionierungswillen im „Spiel-Raum“, die Inszenierung von Überlegenheit, erfolgreiche Durchsetzungsstrategien, die Aneignung relevanter Zeichen und Gegenstände, den Erwerb sozialen Kapitals als Ressource in Platzierungskämpfen und nicht zuletzt die Risikobereitschaft, entweder als Gewinner oder Verlierer zu gelten. Diese Risiko- und Erfolgsbereitschaft hat allerdings ihren Preis: Lernen bereits Jungen zu wenig, sich vor Verletzungen zu schützen und auf ihren Körper zu achten, setzt sich dieser Trend im Jugend- und Erwachsenenalter fort. Um das Verhältnis von Risiken und Chancen der Platzierung und Positionierung im sozialen Raum für beide Geschlechter ausgewogener zu gestalten, scheinen neben noch fehlender Durchsetzung politischer Entscheidungen (Kindergartenplätze, Ganztagsgrundschule etc.) die bisherigen Veränderungen in Erziehungs- und Bildungsarbeit noch nicht ausreichend. So muss Erziehungs- und Bildungsarbeit in ihren Strategien auch die Körper erfassen, um habituelle Wandlungen zu ermöglichen. Hier kommen den initiierten Bewegungspraxen im Schulsport und der außerschulischen Jugendarbeit besondere Chancen zu. Insgesamt besteht Verf. zufolge noch ein hoher Bedarf für die Anwendung geschlechterbewusster pädagogischer Konzepte in Sport und Sportunterricht. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen) |
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