Waren wir wieder wer? - Fußball und Politische Kultur: Die Bundesrepublik Deutschland als Fußballweltmeister 1954

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Kalinowski, Ulf
Erschienen in:Fußball in Geschichte und Gesellschaft : Tagung der dvs-Sektionen Sportgeschichte und Sportsoziologie vom 29.9.-1.10.2004 in Münster
Veröffentlicht:Hamburg: Czwalina (Verlag), 2006, S. 21-32, Lit.
Forschungseinrichtung:Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft / Sektion Sportgeschichte ; Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft / Sektion Sportsoziologie
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200606001304
Quelle:BISp

Abstract

Am 4. Juli 1954 gewann die bundesrepublikanische Nationalmannschaft in der Schweiz überraschend den Titel des Fußballweltmeisters. Viele Bürger sehen in diesem sog. Wunder von Bern ein bedeutendes Symbol für die (west-)deutsche Bevölkerung nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches. Durch diesen Sieg soll sich ein neues nationales Selbstwertgefühl offenbart haben, so dass sich die Gründung der Bundesrepublik im ‚Herzen der Bevölkerung’ eigentlich erst am Tag dieses Titelgewinns vollzog. Ein sportliches Großereignis wie der Gewinn des Fußballweltmeistertitels hat prinzipiell Auswirkungen auf die kollektive Identität einer Nation. Das Konzept der politischen Kultur-Forschung liefert verschiedene Kriterien, anhand derer sowohl die gegenwärtige Politische Kultur untersucht als auch die Auswirkungen vergangener Geschehnisse auf die kollektive Identität gedeutet werden können. Diese ‚Deutungsmuster’ sind in dieser Schrift so ausgewählt worden, dass sie aus dem fußballsportlichen Blickwinkel einer Weltmeisterschaft Erfolg versprechend zur Analyse verwendet werden können. Es handelt sich um folgende Deutungsmuster: ‚Geschichtsbewusstsein’, ‚Emotionen’, ‚Leistungen’, ‚Volkshelden’, ‚Selbst- und Fremdbilder’. Die Analyse dieser Deutungsmuster offenbart in allen untersuchten Punkten eine hohe Wirksamkeit des WM-Titelgewinns auf die kollektive Identität der bundesrepublikanischen Bevölkerung im Jahre 1954. Der Gewinn des Fußballweltmeistertitels im Jahre 1954 wirkte als Katalysator der wirtschaftlichen, politischen und soziale Entwicklung seit Gründung der BRD. In allen gesellschaftlichen Teilbereichen war ein eindeutiger, konstanter Aufwärtstrend zu verzeichnen. Der WM-Triumph fungierte als ‚Überdruckventil’, das schlagartig die aufgestauten Gefühle eines Großteils der Bevölkerung zum Entladen brachte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese positiven Auswirkungen auf die politische Kultur der BRD langanhaltend wirksam waren. Auch ist eine Wirkung auf die gesamte Bevölkerung mit Sicherheit auszuschließen. Es kann Verf. zufolge somit durchaus behauptet werden, dass die Bundesbürger nach dem WM-Triumph ‚wieder wer waren’. Offen ist allerdings, wie lange sie es blieben. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)