Vom Homeground zum Heimwerkermarkt: Der Kampf der Brighton-Fans

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Dembowski, Gerd
Erschienen in:Ballbesitz ist Diebstahl : Fans zwischen Kultur und Kommerz
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2004, S. 95-104
Herausgeber:Bündnis Aktiver Fußballfans
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Fan
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200512002833
Quelle:BISp

Abstract

Die tragische Geschichte des seit über 80 Jahren in den englischen Profiligen vertretenen Brighton & Hove Albion FC begann 1993. Zehn Jahre nach dem größten Vereinserfolg, dem Erreichen des Pokalfinales gegen Manchester United, war der Klub in die Drittklassigkeit abgerutscht und stand mit rund drei Millionen Pfund Schulden kurz vor dem Konkurs. Zudem war das vereinseigene Goldstone-Stadion veraltet und genügte nicht mehr den Sicherheitsauflagen. Wie aus dem Nichts tauchte ein vermeintlicher Heilsbringer namens Bill Archer auf, Direktor einer großen Heimwerkermarkt-Kette mit Wohnsitz 400 km entfernt in Nordengland. Im Handstreich erwarb er zusammen mit seinem Partner Greg Stanley die Mehrheit im Klub für den Spottpreis von 56,25 Pfund. Der neue Präsident gewann David Bellotti, einen ehemaligen Parlamentarier aus dem nahen Eastbourne, als Generalmanager und verlängerten Arm vor Ort. Archer, Stanley und Bellotti versprachen den Fans, ein neues Stadion an der Peripherie zu errichten. Zwei Jahre später war immer noch nichts passiert. Dann förderte eine lokale Zeitung Unglaubliches zu Tage: Das Präsidium hatte das Stadiongelände gegen die Bestimmung des englischen Fußballverbandes und ohne Mitgliederbefragung für 7,4 Miollionen Pfund an das mit Archer verbundene Konsortium Chartwell Development Properties verkauft. Damit stand der Traditionsverein plötzlich ohne Spielstätte da. Das versprochene neue Stadion erwies sich als Lippenbekenntnis in einem vorher abgekarteten Spiel. Dann wurde ausgerechnet der Fratton Park des sportlichen „Lokalfeindes“ Portsmouth FC als Ausweichplatz vorgestellt. Überzeugt davon, gegen York City zum Abstieg aus Liga Drei auch noch das letzte Heimspiel der Vereinsgeschichte im Goldstone-Stadion gesehen zu haben, stürmten die Fans den Rasen, rissen die Tore nieder und brachten so ihren Unmut zum Ausdruck. Die darauf erfolgende Einwilligung des Vorstandes in ein neues Mietverhältnis für ein weiteres Jahr war nur ein Aufschub. Denn Archer und Bellotti hatten einen Passus aus der Vereinssatzung gestrichen, nach dem sämtliche Überschüsse aus eine Vereinsauflösung karitativen Zwecken zugute kommen mussten. Spieler wurden 1996/97 quasi weggeekelt, um den Verein zum Abstieg aus der vierten englischen Profiliga in die Amateurklasse zu schieben. Die Abwicklung eines Amateurklubs wäre rechtlich einfacher und mit geringerer öffentlicher Beobachtung verbunden gewesen. Nun war endgültig klar, dass der Klub in die Hände von Geschäftemachern geraten war, die ihn absichtlich absteigen lassen wollten, um sich mit dem Profit aus dem Staub zu machen. So machten sie nur Scheinangebote, z. B. ein absurdes Stadionausweichprojekt in Toad’s Hole am nördlichen Rand von Hove. Dazu kamen die vom Verein geforderten 480.000 Pfund Jahrsmiete des alten Goldstone Grounds für die Saison 1996/97. Die Fans protestierten zunächst mit Gesängen, Flugblättern und Leserbriefen in der lokalen Presse über ihre Brighton Independent Supporters Association (BISA). Sie vereinigte unabhängige Fans mit den örtlichen Fanklubs und setzte sich für ihre Mitbestimmung ein. Es begann eine Zeit, die der Verein auf seiner Homepage im Rückblick als regelrechten „Krieg“ bezeichnet. Der Verlauf dieses „Kriegs“ bis zum „Durchmarsch“ in der Saison 2001/02 mit dem Meistertitel der dritten englischen Profiliga wird in diesem Beitrag geschildert. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)