Fußball: Nationale Repräsentation durch Körper-Inszenierungen

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Gebauer, Gunter
Erschienen in:Körper-Inszenierungen: Präsenz und kultureller Wandel
Veröffentlicht:Tübingen: Attempto-Verl. (Verlag), 2000, S. 149-171
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200512002689
Quelle:BISp

Abstract

Fußballspiele bieten vielfältige Möglichkeiten, Körper-Inszenierungen zu beobachten – die Art und Weise des Spielens, die Präsentation der Spieler, ihre Gesten, Posen, Rituale, die Interaktion mit dem Publikum, die Selbstdarstellung der Zuschauer etc. Mit seinen Überlegungen zielt Verf. jedoch nicht auf Einzelereignisse, sondern auf einen systematischen Zusammenhang: Es gibt einen Stil des Fußballspielens, der typisch für das Spiel der ausgewählten Vertreter einer Nation, für die Nationalmannschaft eines Landes ist. Die These von Verf. lautet: An den Spielen, für die sich die Mehrheit einer Nation interessiert, lassen sich Entwicklungen erkennen, die in der Tiefe der Gesellschaft vor sch gehen. Am Fußball kann man einige wichtige Tendenzen, die für Deutschland typisch sind, besser erkennen als in anderen Bereichen des sozialen Lebens. Diese werden hier in Form körperlicher Inszenierungen dargestellt. Dabei stellt Verf. das Konzept der Repräsentation der Gesellschaft in Spielen in den Mittelpunkt, wobei Repräsentation in diesem Kontext zum einen Darstellung und Aufführung der Leidenschaften einer Nation und des Bildes, das diese von sich selbst macht, bedeutet. Zum anderen stellt sie eine Vergegenwärtigung solcher Prozesse innerhalb der Gesellschaft dar, die diese bewegen, sie entweder vorantreiben oder sie hemmen. Repräsentation findet immer in einem Medium statt, im Fußball im Fernsehen. Laut Verf. besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass Fußball repräsentativ für unsere Gesellschaft ist – ein Gedanke, den die meisten deutschen Intellektuellen und Künstler noch vor 30 Jahren vehement zurückgewiesen hätten. Aber in den letzten Jahren hat sich das Verhältnis des Nationalspiels zur Nation grundlegend gewandelt. So ist es inzwischen so weit gekommen, dass die Tugenden der deutschen Nationalmannschaft nicht mehr als Abbild der Gesellschaft gelten, sondern dieser als Modell vorgehalten werden. Vor diesem Hintergrund versucht Verf. mit seinen Ausführungen Antworten auf zwei Fragen zu finden: 1. Welches sind die Bedingungen dafür, dass der Fußball eine Gesellschaft (in diesem Fall die deutsche) repräsentieren kann? 2. Auf welche Weise repräsentiert der Fußball diese Gesellschaft? Beide Fragen werden anhand historischer Beispiele beantwortet, wobei dem Weltmeisterschaftserfolg der deutschen Nationalmannschaft im Jahr 1954 eine besondere Bedeutung eingeräumt wird. Im Fazit gelangt Verf. u. a. zu der Einschätzung, dass das Interesse an der deutschen Nationalmannschaft heute nur noch von der Nostalgie lebt. Während sich das Publikum danach sehnt, im Spiel der besten Fußballer des Landes das Bild repräsentiert zu sehen, das es sich von sich selber macht, arbeiten die Athleten längst schon in einer anderen Sphäre, in der die Nation keine Rolle mehr spielt. In ihren Klubs sind sie in ein Mannschaftsgefüge eingebaut, das Spieler aus aller Welt integriert, egal, welcher nationalen Herkunft, welcher Haufarbe, welcher Sprache und Schulbildung. Mit der Dominanz der Spitzenvereine wird die nationale Repräsentation unwichtig; sie verkörpern nicht mehr einseitig die imaginierten Werte und Tugenden einer einzigen Kultur, sondern bilden ein attraktives Amalgam aus verschiedenen Talenten, Temperamenten, Stilen, von athletischen und artistischen Fähigkeiten, von Eleganz und Härte, blitzschnellen Angriffen und hartnäckiger Ausdauer. Fußballvereine sind insofern Verf. zufolge ein Musterbeispiel für Multikulturalität geworden. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)