Oase im Sturm? Der DFB und die Vergangenheit

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Eggers, Erik
Erschienen in:Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2003, S. 216-228, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200306001414
Quelle:BISp

Abstract

Anlässlich der 75-Jahr-Feier des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am 17. Mai 1975 im Schauspielhaus zu Frankfurt am Main hielt der Tübinger Rhetorik-Professor Walter Jens eine launige Laudatio, in der er wider Erwarten die ihm zur Verfügung stehende Zeit u. a. dazu nutzte, um den Verband zu der längst überfälligen Aufarbeitung seiner Geschichte aufzufordern. Dass es in der Folge dieser Rede nicht zu der "großen Bestandsaufnahme" kam, rächte sich spätestens beim nächsten Jubiläum des größten deutschen Sportverbandes, bei der 100-Jahr-Feier im Januar 2000. Erneut mussten sich die Funktionäre des Fußballs starke Kritik an der mangelnden Geschichtsaufarbeitung gefallen lassen. Beim Festakt im Leipziger Gewandhaus mahnte Bundespräsident Johannes Rau die Verbandsoberen an, endlich auch die Schattenseiten deutscher Fußballgeschichte aufklären zu lassen und vor allem diejenigen Historiker, die sich darum bemühten, nicht an der Arbeit zu hindern. Auch hier besaß das Monitum Raus einen Hintergrund: In zahlreichen Zeitungs- und Magazinbeiträgen war die Geschichtspolitik des Verbandes massiv kritisiert worden. Nicht nur "Der Spiegel" hatte vier Tage vor dem Jubiläum darüber berichtet, dass der DFB interessierten Historikern den Zugang zu seinem Archiv verwehrte. Dazu hatten sich ebenfalls vernichtende Rezensionen für die bereits im Herbst 1999 publizierte Festschrift zur 100-Jahr-Feier gesellt. Diese Festschrift verstand sich zwar laut Vorwort des damaligen DFB-Präsidenten Egidius Braun vollmundig als eine "kritische Bestandsaufnahme über die ersten hundert Jahre des DFB", erschien aber aus mehreren Perspektiven als veritabler Skandal. So hatten die Herausgeber nicht nur umfangreiche Forschungsarbeiten, die in den letzten 25 Jahren einiges zur Fußballgeschichte zu Tage gefördert hatten, ignoriert, sondern einige der Artikel erweckten obendrein gerade für unangenehme Epochen wie das "Dritte Reich" den Eindruck einer ganz bewussten Auslassung von historischen Tatsachen. Im Gefolge der massiven Kritik beauftragte der DFB endlich einen Historiker (Nils Havemann aus Mainz), die Geschichte des Verbandes im "Dritten Reich" aufzuarbeiten, sie zu rekonstruieren und nach ersten Antworten auf die vielen verbleibenden Fragen zu suchen. Verf. vermutet zwar, dass der DFB versuchen wird, Einfluss auf diese Studie zu nehmen, betont aber auch die vielen wertvollen Bemühungen des DFB in den letzten beiden Jahrzehnten im Hinblick auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem israelischen Fußballverband. Schiffer