Die Blütezeit des jüdischen Sports in Deutschland: Makkabi und Sportbund Schild, 1933 bis 1938

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Skrentny, Werner
Erschienen in:Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2003, S. 170-201, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200306001411
Quelle:BISp

Abstract

Die organisierte jüdische Sportbewegung hatte einen ihrer Ursprünge im 2. Zionistenkongress von Basel, auf dem Max Nordau (ein Pseudonym, richtiger Name: Max Südfeld) den Begriff vom "Muskeljudentum" prägte. 1898 entstand in Berlin der Turnverein Bar Kochba; man wollte damit antisemitischen Vorurteilen begegnen und lieferte gleichzeitig ein Bekenntnis zum Zionismus ab. 1921 schlossen sich jüdische Turn- und Sportvereine aus Deutschland und Österreich zum Verband Makkabi zusammen. Auch Makkabi war zionistisch, politisches Ziel war ein jüdischer Staat in Erez Israel (Palästina). Neben dieser Organisation bestand vor allem in Westdeutschland der Verband jüdisch-neutraler Turn- und Sportvereine (VINTUS), der sich nach dem Ersten Weltkrieg gebildet hatte. Im Oktober schlossen sich die meisten von dessen 18 Vereinen Makkabi an. Einen Sportbetrieb pflegte schließlich noch der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF) mit seinem Sportbund "Schild". In der Organisationsgeschichte des deutschen Sports waren alle diese jüdischen Sportorganisationen bis 1933 lediglich Randerscheinungen, denn die meisten Aktiven jüdischen Glaubens trieben in den großen Einheitsverbänden Sport. Hinzu kam, dass die jüdische Sportbewegung in sich gespalten war und zeitweise erbittert konkurrierte. Auf der einen Seite war der zionistische Deutsche Makkabikreis, der sich als eine Art sportliche Alleinvertretung der deutschen Juden begriff, auf der anderen der Sportbund Schild des RjF, der denselben Anspruch verfolgte. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 veränderte die Lage für die jüdischen Sportler und Sportlerinnen innerhalb kürzester Zeit dramatisch. In fast allen Sportverbänden und Vereinen wurde Juden die Mitgliedschaft auf Basis des sog. Arierparagrafen aufgekündigt. Paradoxerweise führte der Ausschluss der Juden aus Fachverbänden wie dem Deutschen Fußballbund (DFB) zu einer "Blütezeit" der jüdischen Sportorganisationen in Deutschland, wie sie diese bis dahin noch nie erlebt hatten und wie sie sie nie wieder erlebten. Insbesondere im Fußball fand ein reger Spielbetrieb statt und vereinzelt kam es sogar zu Vergleichen mit früheren DFB-Vereinen, die später zum Fachamt Fußball gehörten. Neben den Vereinsspielen gab es jüdische Auswahl-Vergleiche, so 1934 in Frankfurt zwischen Main/Hessen und Württemberg/Baden (1:2) und im Stadion Köln zwischen Westdeutschland und Süddeutschland (0:3). Seit den "Nürnberger Gesetzen" vom 15.9.1935 waren Juden in Deutschland "Bürger zweiter Klasse", als Reichsbürger gelten ausschließlich sog. Arier. Nun zeichnete sich der Niedergang der jüdischen Sportbewegung ab: Immer mehr jüdische Menschen emigrierten. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden außer der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland alle jüdischen Organisationen, darunter auch Makkabi und Sportbund Schild aufgelöst. Die Gestapo ordnete an, das Vermögen beider Sportverbände auf die Reichsvereinigung mit Sitz in Berlin zu übertragen; später wurde es zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt. Das Nazi-Blatt "Völkischer Beobachter" spottete am 27.11.1938 in völliger Verkennung der Verhältnisse, "über die lächerliche Rolle von Außenseitern" seien die jüdischen Sportvereine nie hinausgekommen. Mit dem Jahr 1938 endete die erfolgreichste und fruchtbarste Zeit des jüdischen Sports in Deutschland. Schiffer