Abstract

Verf. unternimmt den Versuch, das "Gesellschaftsphaenomen" der Leibesuebungen und der Leibeserziehung im abendlaendischen - insbesondere im mitteleuropaeischen Bereich - vom Spaetmittelalter bis zur Gegenwart nachzuzeichnen. Um den Bezug zur Sozialkunde zu gewaehrleisten, geht Verf. von einem sozial-strukturgeschichtlichen Ansatz in Verbindung mit der "historischen Modernisierungstheorie" aus. Unter Modernisierung wird hier der soziokulturelle Wandel der Leibeserziehung und der Leibesuebungen seit der franzoesischen Revolution, der industriellen Revolution und der gesamteuropaeischen Geistesstroemung der Aufklaerung bis hin zur Industriegesellschaft verstanden. Nach einem Einblick in die Geschichte der traditionellen Leibesuebungen des Spaetmittelalters, die stark staendisch gepraegt waren, untersucht Verf. den Modernisierungsprozess der Leibeserziehung seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Mit der schrittweisen Abkehr von der bisherigen Standeserziehung erfolgten zunehmend "Neologismen" wie "Bildung des Leibes", "physische Erziehung" und "Leibeserziehung". In der deutschen Aufklaerungspaedagogik des Philantropismus verschmolzen die adligen Exerzitien, die antike hellenische Gymnastik und im Volk lebendige Spiel- und Uebungsformen zu einem formalbildenden System einer egalitaeren Leibeserziehung. Verf. bezeichnet seit der 2. Haelfte des 18. Jahrhunderts den englischen Sport, die schwedische Gymnastik und das deutsche Turnen als die "Hauptsysteme" der modernen Leibesuebungen und modernen Leibeserziehung. Verf. befasst sich darueber hinaus kurz mit der Entwicklung des Sports und der Leibeserziehung der Gegenwartsgesellschaft. Lemmer