Erworbene spiegelbildliche Mitbewegungen: Untersuchungen zur Auswirkung von Hirnlaesionen auf die bimanuelle Koordination bei ein- und beidhaendiger Kraftsteuerung

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Uttner, Ingo
Veröffentlicht:München: 1999, III, 102 S., Lit., Lit.
Hochschulschriftenvermerk:München, Univ., Diss., 1999
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Gedruckte Ressource
Dokumententyp: Hochschulschrift Dissertation
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU199909401976
Quelle:BISp

Abstract

Erworbene MM (mirror movements) aeussern sich als contralaterale Mitbewegungen homologer Muskelgruppen bei unimanuellen Willkuerbewegungen, werden als Sonderform aber auch in Zusammenhang mit bimanuell-asymmetrischen Koordinationsleistungen beschrieben. Ueber ihre Haeufigkeit, Phaenomenologie und Grundlagen ist bislang nur wenig bekannt. Prominenteste Ursache sind zerebrale Laesionen, meist in Zusammenhang mit Hirninfarkten, Tumoren und neurochirurgischen Eingriffen. Als neuroanatomisches Korrelat werden vor allem Laesionen des Balkens, der absteigenden motorischen Bahnen und der supplementaer-motorischen Area vermutet. Letztere sollen primaer bimanuelle Koordinationsstoerungen verursachen. In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals der Versuch unternommen, an einer groesseren Stichprobe von Patienten mit adulten Hirnschaedigungen systematisch nach eMM zu suchen, ihre phaenomenologischen Besonderheiten zu charakterisieren und moegliche Bedingungsvariablen zu identifizieren. Hierzu wurde ein PC-unterstuetztes Verfahren eingesetzt, mit dessen Hilfe die Kraefte zwischen Daumen und Zeigefinger simultan an beiden Haenden erfasst und aufgezeichnet werden konnten. Gemessen wurden ein- und beidhaendige repetitive Kraftwechsel, die im Praezisionsgriff entweder schnell oder langsam auszufuehren waren. Bei beidhaendigen Aktivitaeten wurde zudem die visuelle Rueckmeldung (ja/nein) sowie die Art der Aufgabendurchfuehrung (symmetrisch/asymmetrisch) variiert. Parallel dazu erfolgte eine kurze klinische Untersuchung, die einer ersten Einschaetzung von eMM diente. Es wurden 36 Patienten mit umschriebenen Hirnlaesionen (frontal, zentral, ternporal, parietal, occipital und subkortikal) sowie 36 alters- und geschlechtsgematchte gesunde Kontrollpersonen untersucht. Mit einer Ausnahme waren alle Personen Rechtshaender. Folgende zentrale Ergebnisse wurden gewonnen: Einhaendige Willkuerbewegungen fuehrten bei fast allen Normalpersonen zu Mitbewegungen in der contralateralen Hand. Sie waren allerdings nur sehr schwach ausgepraegt und lagen im Mittel deutlich unter 1% der mit der Willkuerhand ausgeuebten Kraft. Es bestand kein Zusammenhang mit dem Geschlecht, der Seite und der Geschwindigkeit der Kraftwechsel, auch wenn MM tendenziell eher bei den schnellen Versuchen auftraten. Willkuer- und Spiegelaktivitaet korrelierten ausserordentlich hoch, was fuer eine enge funktionelle Koppelung beider Motorkortices sprach. Rechtshaendig ausgefuehrte Bewegungen erfolgten in der Regel etwas frueher als linksseitige (Range: 1-50 msec), unabhaengig davon, ob Willkuer- oder Mitbewegungen analysiert wurden. Dies wurde als moeglicher Hinweis auf die besondere Rolle der linken Hemisphaere bei Rechtshaendern gewertet. Ein gewisser Vorlauf der dominanten rechten Hand fand sich auch bei der Ausfuehrung beidhaendiger symmetrischer Kraftwechsel (Range. 7-18 msec). Ein quantitativ und qualitativ ausserordentlich aehnliches Befundmuster boten die Patienten mit erworbenen Hirnlaesionen. Eine Unterscheidung von den Normalpersonen war im Gruppenvergleich praktisch nicht moeglich. Pathologische Spiegelaktivitaet entwickelten bei den unimanuellen Kraftwechseln lediglich 6, bei den bimanuell-asymmetrischen Versuchen sogar nur 5 Patienten. Die Befunde unterstuetzen die bisherigen Arbeiten, die eMM sowohl bei einseitigen, als auch bei beidseitig-asymmetrischen Aktivitaeten beschreiben. Sie lassen ferner darauf schliessen, dass eMM nur eine geringe Inzidenz aufweisen und am ehesten multifaktoriell verursacht sind. Eine wichtige Rolle koennten hierbei Einschraenkungen der Aufmerksamkeitsresourcen und ineffiziente Adaptationsstrategien spielen. Die hohe Konkordanz zu den Spiegelbewegungen Gesunder legt ein Kontinuum zwischen erworbenen und physiologischen MM nahe. Dagegen beruhen erworbene und persistierende MM offensichtlich auf unterschiedlichen Mechanismen. Verf.-Referat (gekuerzt)