Anerkennung und Missachtung im Sportunterricht. Eine empirische Analyse von Interaktionsprozessen zwischen SchülerInnen

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Grimminger, Elke (Universität Freiburg / Institut für Sportwissenschaft und Sport / Arbeitsbereich Sportpädagogik, Tel.: 0761 2034556, elke.grimminger at sport.uni-freiburg.de)
Forschungseinrichtung:Universität Freiburg / Institut für Sportwissenschaft und Sport / Arbeitsbereich Sportpädagogik
Finanzierung:Eigenfinanzierung
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:11/2009 - 11/2012
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020110200043
Quelle:Jahreserhebung

Zusammenfassung

I. Vorhabensziel/Forschungsfragen:
1. Wie erfolgen Anerkennungs- und Missachtungsprozesse im Sportunterricht unter den Schüler/-innen?
2. In welchen unterrichtlichen Situationen werden Anerkennungs- und Missachtungsprozesse sichtbar?
3. Wie gehen Schüler/-innen mit Missachtungserfahrungen im Sportunterricht um (individuelle Verarbeitungsstrategien, Erklärungs- und Deutungsmuster)?
4. In welchem Zusammenhang stehen soziometrische Positionen mit selbstbezogenen Facetten?
5. In welchem Zusammenhang stehen sportunterrichtliche Missachtungs-/Anerkennungserfahrungen mit selbstbezogenen Facetten?
6. Welche Variablen moderieren Anerkennungs- und Zugehörigkeitserfahrungen bzw. Missachtungs- und Desintegrationserfahrungen im Sportunterricht?
II. Arbeitsplanung:
Das Forschungsprojekt zeichnet sich methodisch durch einen multimethodischen Ansatz aus. Qualitative und quantitative Daten werden wechselseitig aufeinander bezogen. In N=6 Schulklassen, unterschiedlicher Schulformen, Altersklassen und Klassenzusammensetzungen (koeduativ/ geschlechtergetrennt; sozio-kulturell heterogen/ nahezu sozio-kulturell „homogen“) wurden insgesamt N=30 Sportunterrichtsstunden aus zwei Videoperspektiven aufgenommen. Zur Auswertung der Aufnahmen wurde ein Verfahren gewählt, das die Segmentierungs- und Inhaltsanalyse mit der Sequenz- und Konfigurationsanalyse im Sinne der dokumentarischen Methode verbindet. Aus theoretischer Perspektive wahrgenommene Missachtungssituationen wurden in einer Videokonfrontation im Einzelinterview mit den betroffenen SchülerInnen diskutiert (N=42 Interviews). Zusätzlich wurde in jeder Schulklasse ein Soziogramm erstellt, das soziale Netzwerke der SchülerInnen in unterschiedlichen Situationen (Bewegungskontext, Schulkontext, privater Kontext) abbildet (N=148). In Verbindung damit wurde ein Fragebogen an die SchülerInnen ausgeteilt, der neben biographischen und sozialen Markern das akademische, soziale und sportliche Selbstkonzept sowie das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeitserwartungen (Harter-Skalen in der deutschen Version von Asendorpf & Aken, modifiziert durch Brettschneider & Gerlach, 2004) abfragt sowie Zugänge zum Sportunterricht und soziale Erfahrungen im Sportunterricht erfasst (N=148). Die Datenerhebung ist abgeschlossen.
III. Geplante Ergebnisverwertung:
Die Ergebnisse werden in nationalen und internationalen Zeitschriften veröffentlicht und fließen in eine Habilitation ein.

(Zwischen)Ergebnisse

Erste Ergebnisse der qualitativen Videostudie zeigen, dass die Strategien der Anerkennung bzw. Missachtung vielfältig sind und über die untersuchten Klassen hinweg ähnliche Muster aufweisen: sie werden sichtbar in Körperlichkeit, körperlicher Nähe, körperlicher Ablehnung bis hin zu körperlicher Gefährdung, aber auch in gruppendynamischen In- und Exklusionsprozessen, in verbalen und mimetischen Äußerungen. Mädchen und Jungen unterscheiden sich in Praktiken der Differenzierung, Hierarchisierung und Positionierungen über die Anerkennung bzw. Missachtung vermittelt werden. Bei Mädchen deutet sich eine „personale Anerkennungs- und Missachtungskultur“ an, anscheinend losgelöst von sportlichen Fähigkeiten. Aufgrund zumeist dyadischer – zumindest häufig aufeinander bezogener – Beziehungsformen sind Mädchen häufiger von Ausgrenzungsprozessen betroffen als Jungen, deren soziales Beziehungsnetz breiter und nicht immer aufeinander bezogen ist. Bei Jungen entsteht der Eindruck einer „funktionalen Anerkennungs- und Missachtungskultur“, gebunden an sportliche Leistungsfähigkeit.