Integrationsleistungen von Sportvereinen als intermediäre Organisationen

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Baur, Jürgen (Universität Potsdam / Institut für Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Sportsoziologie/Sportanthropologie, Tel.: 0331 9771050, baur at rz.uni-potsdam.de); Braun, Sebastian
Mitarbeiter:Nagel, Michael
Forschungseinrichtung:Universität Potsdam / Institut für Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Sportsoziologie/Sportanthropologie
Finanzierung:Halbach-Stiftung
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:03/2001 - 02/2003
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020021000353

Zusammenfassung

Welche Integrationsleistungen erbringen Sportvereine als Vermittlungsinstanzen zwischen Individuum und Gesellschaft? Die Frage nach dem "sozialen Kitt" stellt sich zumal im Blick auf eine vermeintlich oder tatsächlich hochindividualisierte Gesellschaft, in der soziale Bindungen erodieren. Dieser "soziale Kitt" wird seit de Tocqueville und Weber über die "Klassiker" der Politischen Kultur-Forschung bis zu neueren Ansätzen aus der kommunitaristischen Sozialtheorie und der Diskussion über das "soziale Kapital" einer Gesellschaft maßgeblich in den so genannten "intermediären Organisationen" gesehen. Aufgrund ihrer besonderen Qualität als kollektive Akteure des vorpolitischen Raumes, in denen sich das assoziative Moment demokratisch-liberaler Gesellschaften verdingliche, gelten sie als Hoffnungsträger, den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund gilt das Interesse des Forschungsvorhabens den Integrationsleistungen intermediärer Organisationen als Zwischenträger in gesamtgesellschaftlichen Integrationsprozessen. Im Mittelpunkt stehen dabei die mitgliederreichsten Personenvereinigungen in Deutschland, die bislang in der aktuellen wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskussion über intermediäre Organisationen bestenfalls am Rande erwähnt werden: die knapp 87 000 Sportvereine, denen mittlerweile rund 27 Millionen Bundesbürger angehören. Offenbar gelingt es Sportvereinen nach wie vor, Mitglieder zu binden, und dies im Unterschied zu anderen traditionellen Vereinigungen wie Parteien und Gewerkschaften, die Mitgliederstagnation oder sogar Mitgliederrückgang verzeichnen. Im Sinne der Individualisierungsthese haben sich Sportvereine offenbar an veränderte Formen der Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung angepasst, und ihre Integrationsmodi scheinen sich gewandelt zu haben. Worin aber besteht die Integrationskraft gerade der Sportvereine - wenn einerseits angenommen wird, dass Mitgliedschaftsverhältnisse mit dem Verfall traditionaler Sozialmilieus, dem Rückgang der moralischen Besetzung von Institutionen, der Erosion formaler Loyalitäten prinzipiell unsicher werden, wenn andererseits auf die Renaissance der Vereine als Orte der Integration in unvollständig integrierten modernen Gesellschaften verwiesen wird?
Das beantragte Forschungsvorhaben greift das Problem der gesellschaftlichen Integration auf, das gegenwärtig in Politik und Öffentlichkeit hohe Aufmerksamkeit erfährt. Unsere These lautet: Sportvereine leisten als intermediäre Organisationen zwischen Individuum und Gesellschaft einen maßgeblichen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration. Ihre integrativen Leistungen werden dabei auf drei Ebenen angenommen: (1) als Sozialintegration im Sinne der organisationsinternen Vergemeinschaftung, (2) als Integration über sozialstrukturelle Bindungen, also über die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen und sozialen Klassen, und (3) als Systemintegration im Sinne einer organisationsübergreifenden Vergesellschaftung der Sportvereinsmitglieder. Damit ist zugleich die leitende theoretische Problemstellung des empirisch angelegten Forschungsprojekts bezeichnet.

(Zwischen)Ergebnisse

Mit der Erhebung der für das Integrationsprojekt erforderlichen Daten war Infratest Burke Sozialforschung beauftragt. Nach einem Pretest der Erhebungsinstrumente im Februar 2001 wurden im Zeitraum von März bis Mai 2001 zwei Befragungen durchgeführt, die sich zum einen auf Sportvereinsmitglieder, zum anderen auf die Grundgesamtheit der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland bezogen. Beide Surveys waren als schriftliche postalische Befragungen angelegt und wurden im Rahmen des so genannten TPI-Access-Panels durchgeführt. Das Access-Panel, das von einem Schwester-Institut der Infratest Burke-Gruppe, dem so genannten Test-Panel-Institut (TPI), geleitet wird, stellt eine für die Bundesrepublik Deutschland repräsentative Quotenstichprobe dar, die im Jahr 2001 rund 50 000 Haushalte mit etwa 120 000 befragungsbereiten Personen umfasste. Im Rahmen der Untersuchung wird auf zwei unterschiedliche, aus dem TPI-Access-Panel gezogene Stichproben Bezug genommen: auf eine Stichprobe von Sportvereinsmitgliedern sowie auf eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe. Für die Ziehung beider Stichproben wurden unterschiedliche Soll-Verteilungen entwickelt, um zu gewährleisten, dass bestimmte Merkmale in den Samples etwa in derselben Häufigkeit vorkommen wie in den jeweiligen Grundgesamtheiten, die zum einen von Sportvereinsmitgliedern in der Bundesrepublik Deutschland ab 15 Jahren (Mitgliederstichprobe), zum anderen von der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ab 18 Jahren (Bevölkerungsstichprobe) gebildet werden. Die Stichprobenumfänge der Mitglieder- und der Bevölkerungsbefragung wurden so angelegt, dass mindestens 1 000 bzw. 1 300 Interviews in den alten und 500 bzw. 700 Interviews in den neuen Bundesländern netto zu erwarten waren. Insgesamt konnten jedoch deutlich höhere Netto-Fallzahlen realisiert werden. Von den 2 300 befragten Sportvereinsmitgliedern erhielt das Test-Panel-Institut 1 775 auswertbare Fragebögen zurück, was einer Rücklaufquote von 77% entspricht. Noch höher, nämlich bei 86%, lag der Rücklaufquotient bei der Bevölkerungsstichprobe. 2 582 der auf dem Postweg zugestellten 3 000 Bevölkerungsfragebögen konnten als gültig und bereinigt ausgewiesen und für die Datenanalyse verwendet werden.