Biomechanische Strukturierung von Speerwurfbewegungen im Abwurfabschnitt von Frauen: 55 m - 65 m

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Ballreich, Rainer (Universität Frankfurt am Main / Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften / Institut für Sportwissenschaften / Arbeitsbereich Bewegungswissenschaften, Tel.: 069 798-24550, preiss at sport.uni-frankfurt.de); Simon, Christian
Mitarbeiter:Preiß, Rüdiger
Forschungseinrichtung:Universität Frankfurt am Main / Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften / Institut für Sportwissenschaften / Arbeitsbereich Bewegungswissenschaften
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070503/97) ; Eigenfinanzierung
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:03/1997 - 03/1998
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019970105525

Zusammenfassung

Forschungsdefizit: Fehlen eines theoriebasierten Untersuchungskonzepts sowie deterministischer Modellvorstellungen bezüglich der Speerwurfbewegung.
Forschungsziel:
1. Deterministische 3-dimensionale Modellierung der Speerwurfbewegung im Abwurfabschnitt;
2. Verlaufsorientierte Beschreibung der Modellvariablen;
3. Intra- und interindividueller Vergleich zwischen bewegungsstrukturierenden Dimensionen des Abwurfabschnitts mit Hilfe eines Faktorstrukturvergleichs (P- und S-Technik)

(Zwischen)Ergebnisse

Im Leistungsbereich von Wurfweiten über 60 m können mit interindividuell unterschiedlichen Bewegungsstrukturen, vermutlich aufgrund von intersegmentellen Kompensationsmechanismen gleiche sportmotorische Leistungen (Wurfweiten) erzielt werden. Der interindividuelle Vergleich der Intensitätsverläufe von Stemmbeinkniegelenkwinkel und Ellbogengelenkwinkel des Wurfarms deutet darauf hin, daß diese Kompensationsmechanismen den Stemmbein- und Wurfarmeinsatz betreffen. Nachtrag aus BISp-Jahrbuch 1998: Während bei etwa identischen Wurfweiten Athletin A eine schnellere Armzugbewegung als Athletin B aufweist, ist ihr Stemmbeineinsatz im Vergleich zu Athletin B dadurch gekennzeichnet, daß der Kniegelenkwinkel in der ersten Hälfte der Stemmphase deutlich verringert wird. Athletin A weist somit zur Erzielung großer Wurfweiten eine zweckmäßigere Armzugbewegung auf als Athletin B, die wiederum einen zweckmäßigeren Stemmbeineinsatz realisiert als Athletin A. Hierbei sind intraindividuelle Bewegungsstrukturunterschiede offenbar geringer als interindividuelle. Bei entsprechender Leistungsvariation (Spezialistin B, w1 : 68,82 m, w2 : 58,54 m) konnten Bewegungsstrukturunterschiede zwischen Würfen mit höherer und geringerer Abfluggeschwindigkeit (Spezialistin B, v01 : 26,4 m/s, v02 : 24,3 m/s) festgestellt werden. Der eindeutige bewegungsstrukturelle Unterschied liegt hierbei in dem Einsatz des Stemmbeins. Der wurfweitenunterstützende Stemmbeinkniegelenkwinkel sollte bis ca. 60 - 70% der Stemmphasendauer relativ konstant bleiben bzw. möglichst geringfügig verringert werden. Der hervorstechende Unterschied in der Bewegungsstruktur zwischen Mehrkämpferinnen und Spezialistinnen betrifft ebenfalls den Einsatz des Stemmbeins. Die Mehrkämpferinnen neigen dazu, das Stemmbein nahezu vollständig gestreckt aufzusetzen und dann relativ schnell und intensiv zu beugen, während die Spezialistinnen bis etwa 2/3 der Stemmphasendauer nur geringfügige Kniewinkeländerungen aufweisen und das Stemmbein somit effektiv zum Abbremsen und einer wurfweitenunterstützenden (intersegmentellen) Impulsübertragung von den unteren Segmenten auf den Wurfarm und das Wurfgerät einsetzen. Vorliegende Untersuchung bestätigt einmal mehr, daß eine Bewegungsbeschreibung mittels zeitdiskreter Bewegungsmerkmale mit einem großen Informationsverlust verbunden ist, da eine Betrachtung der Bewegung zu bestimmten Zeitpunkten keinen Aufschluß über den Bewegungsverlauf gibt. Aufgrund der zahlreichen Freiheitsgrade kinematischer Ketten des menschlichen Bewegungssystems können aus gleichen Ausgangspositionen über unterschiedliche Bewegungen gleiche Endpositionen erreicht werden. Die Forschungsdefizite liegen daher in einer zeitkontinuierlichen Bewegungsbeschreibung und somit in einer verlaufsorientierten (prozeßorientierten) Technikanalyse. Durch eine Verkleinerung der Zeitabstände zwischen der Betrachtung einzelner Bewegungspositionen wird die Bewegungsvarianz zwischen zwei Bewegungspositionen reduziert und eine objektive inter- bzw. intraindividuelle Vergleichbarkeit von Bewegungen ermöglicht. Wie Ergebnisse von Untersuchungen durch ZACIORSKIJ u.a. (1980) zeigen, ist bei einer ausschließlichen Orientierung an der Geometrie/Statik der Bewegung bei Vernachlässigung des Verlaufs der Bewegung das Risiko von Fehlbeurteilungen der Bewegungstechnik nicht unerheblich.