Synchronoptisches Differenzierungs- und Identifizierungsvermögen im Sport

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Gralla, Volker (Universität Bochum / Fakultät für Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Sportmedizin, Tel.: 0234 700-2205, volker.gralla at ruhr-uni-bochum.de); Tidow, Günter
Mitarbeiter:Jendrusch, Gernot; Lessing, Thorsten
Forschungseinrichtung:Universität Bochum / Fakultät für Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Sportmedizin
Finanzierung:Eigenfinanzierung
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:04/1993 - 12/1999
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019970105477

Zusammenfassung

Forschungsdefizit:
Sportwisenschaftler thematisieren sinnesphysiologische Fragestellungen eher singulär. Visuelle Informationsaufnahme ist jedoch zur Steuerung und Kontrolle von Eigenbewegung einerseits sowie zur Regelüberwachung und Bewegungsbeurteilung andererseits gleichermaßen eine essentielle Voraussetzung für Handlungen, Entscheidungen und Wertungen im Sport.
Das synchronoptische Identifizierungsvermögen stellt einen Sonderfall peripherer Beobachtungs- bzw. Beurteilungsaufgaben im Sport dar. Als praxisrelevante Beispiele können kunstturnerische Elemente herangezogen werden, bei denen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Bewegungsablauf zwei räumlich voneinander getrennte Haltungsausführung wertungsspezifisch relevant und somit vom Trainer oder Kampfrichter synchronoptisch ('zeitlich') zu identifizieren sind. Ebenso können die typischen Synchrondisziplinen der Sportarten Trampolin- und Wasserspringen angeführt werden, als auch Situationen aus der Sicht verschiedener Ballsportler (z. B. Basketball, Volleyball).
Bei sog. synchronoptischen Differenzierungsaufgaben stellt sich die Frage, ob - und inwieweit - der optische Analysator in der Lage ist, räumlich voneinander getrennte Beobachtungsmerkmale zeitdifferenzabhängig 'aufzulösen', und welche anderen Sinnessysteme 'wahrnehmungsstrategisch' eingesetzt werden (Beispiel: Fußfehlerproblematik im Tennis: der Linienrichter hat bei der Beurteilung des Fußfehlers zwei nahezu zeitliche, aber räumliche voneinander getrennte Vorgänge (Fuß-Boden- und Ball-Schläger-Kontakt) zu beurteilen).
Forschungshypothesen / Forschungsziele:
Der Bewegungsbeurteilung sind gerade bezüglich der synchronoptischen (zeitlich parallelen) Wahrnehmung enge Grenzen gesteckt; Kampf- und Wertungsrichter sind sich häufig derer nicht bewußt. Somit werden innerhalb des Projekts sowohl die sinnesphysiologischen Grundlagen dieser Problematik thematisiert (Grundlagenforschung), als auch anwendungsbezogene Beispiele aus der Praxis verschiedener Sportarten empirisch beleuchtet.
Praxisbezug:
Die Grenze und Möglichkeiten der Bewegungsbeurteilung sind für Trainer (Rückmeldung an den Sportler im Trainingsprozeß), Kampfrichter (objektive Bewertung) und Sportler (z.B. antizipatorische Wahrnehmung in Spielhandlungen) vieler Sportarten gleichermaßen von eminenter Bedeutung.

(Zwischen)Ergebnisse

Das synchronoptische Identifizierungsvermögen ist: - trainierbar, mit einer interindividuellen Streuung bzgl. des Trainingserfolges; - gebunden an die spezifische Beurteilungsanforderung, und somit vermutlich nur übertragbar auf Situationen mit sehr vergleichbarem visuellen Anforderungscharakter; - vom Beobachterwinkel abbhängig; dieser sollte in bezug auf sportpraktische Darbietungssituationen unter Optimierung der Beobachterentfernung (Visusanforderung!) möglichst klein gewählt werden. Synchronoptisches Differenzierungsvermögen anhand des Fußfehlers im Tennis: Bei geringen Zeitdifferenzen (<20 ms) kann davon ausgegangen werden, daß bzgl. des Fußfehlers im Tennis eine regelgerechte Entscheidung des Linienrichters vom Zufall abhängig ist (Fehlerquote fast 50%). Somit stellen die Beurteilungskriterien des aktuellen Regelwerks aus wahrnehmungsphysiologischer Sicht eine Überforderung dar. Aktuelle Untersuchungen legen die Vermutung nahe, daß die Entscheidungsleistung durch ein spezifisches Seh- und Wahrnehmungstraining verbessert werden kann. Über eine Modifikation des momentan gültigen Regelwerkes sollte jedoch diskutiert werden. Der Beobachterwinkel ßmax (maximaler Ausprägungsgrad des Beobachterwinkels mit hoher Identifikationswahrscheinlichkeit) hängt hochsignifikant (p<0,01) von der Größe der zu identifizierenden Details und ihrer Geschwindigkeit sowie vom normierten relativen Sehschärfeabfall auf dem temporal horizontalen Gesichtsfeldmeridian ab. Bei statisch synchronoptischer Anforderung steht ein deutlich eingeschränkter Gesichtsfeldbereich (im Mittel um ca. 40% reduziert) zur Identifikation zur Verfügung. Die Fähigkeit zur synchronoptischen Beurteilung ist personengebunden sehr unterschiedlich, und dabei unabhängig von der Visusanforderung und Detailgeschwindigkeit.