Körperliche Aktivität und Gesundheit in der Schweizer Bevölkerung

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Calmonte, Roland (Universität Bern / Medizinische Fakultät / Institut für Sozial- und Präventivmedizin / Abteilung Gesundheitsforschung, Tel.: 031 324 7564, roland.calmote at bfs.admin.ch)
Mitarbeiter:Kälin, Wolfgang
Forschungseinrichtung:Universität Bern / Medizinische Fakultät / Institut für Sozial- und Präventivmedizin / Abteilung Gesundheitsforschung
Finanzierung:Schweiz / Bundesamt für Sport
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/1992 - 10/1997
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019970100213

Zusammenfassung

Beschreibung der Zusammenhänge zwischen sportlich-körperlicher und einer großen Zahl von soziodemographischen- und Gesundheitsindikatoren in der Schweizer Wohnbevölkerung: Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf, Einkommen, Ausländer, Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, körperliche Beschwerden, Krankheiten, subjektive, Gesundheit, Wohlbefinden, gesundheitsrelevante Verhaltensweisen usw.

(Zwischen)Ergebnisse

Ohne dabei den Anschein erwecken zu wollen, unkritisch der Meinung zu sein, daß Sport unabdingbar für eine gesunde Lebensgestaltung resp. daß Sport für alle Bewegungsabstinenten ein probates Mittel zur Gesundheitspflege sei, werden wir uns in der nachfolgenden Zusammenfassung auf die diesbezüglichen "Risikogruppen" konzentrieren. Wir sind uns der Komplexität der Zusammenhänge bewußt, auch wenn wir dieser aufgrund von Restriktionen, wie z.B. der Datenlage, nicht voll gerecht werden können. Handelt es sich doch bei der SGB92 um ein "Screening" mit einem breit gefächerten Themenkreis, in dem der körperlich-sportlichen Betätigung nicht der Platz eingeräumt werden konnte, wie das in einer bewegungsspezifischen Studie der Fall gewesen wäre. Einerseits findet man in unseren Daten gute Gründe dafür, daß die Gesundheit mit Sport gefördert werden kann und sollte, andererseits aber auch Risikogruppen, die anzeigen, wo diese Förderung vordringlich oder besonders aussichtsreich oder nützlich sein könnte. Die hervorstehenden Ergebnisse zum Thema sportlich-körperliche Aktivität und Gesundheit in der Schweizer Bevölkerung, die für die Förderung der Gesundheit bedeutsam scheinen, können folgendermaßen zusammengefaßt werden. Die Reihenfolge der Aufzählung entspricht dabei der inhaltlichen Abfolge des Berichts und hat keine weitere Bedeutung: - Männer sind insgesamt aktiver und auch häufiger intensiv körperlich aktiv als Frauen. Diese sind demgegenüber etwas mehr moderat aktiv. - Die Aktivität nimmt mit bei beiden Geschlechtern mit dem Alter ab. Um die Pensionierung herum scheinen wir eine sehr veränderungssensible Phase (Lebensabschnitt) zu beobachten. Nicht nur geben hier viele ihre körperliche Tätigkeit auf (beruflich bedingt?), sondern ebenso viele beginnen damit oder steigern sie. Lamprecht und Stamm (1994) haben ähnliche Ergebnisse berichtet. Hier besteht evtl. ein Ansatzpunkt für die Gesundheitsförderung mittels Sport.- Einerseits durch gezieltes zur Verfügungstellen von Möglichkeiten und andererseits durch das Motivieren der Aussteiger. - In der Schweiz lebende AusländerInnen sind in ihrer Freizeit weniger körperlich aktiv als SchweizerInnen. - Kulturell bedingte Unterschiede (Sprach-, Wohn-Region, Stadt-Land) finden sich vor allem bei den Frauen. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land, die im Zusammenhang von infrastrukturellen Bedingungen gesehen werden könnten, sind geringer als erwartet. - Verwitwete, geschiedene oder getrennt lebende Männer stellen eine Risikogruppe bezüglich Bewegungsabstinenz dar. Hier wäre eine Analyse der Koinzidenz dieses Ergebnisses mit der Veränderung anderer Lebensstilkomponenten wie Alkohol- oder Tabakkonsum in einer kritischen Lebenssituation interessant. Bei den Frauen scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Die getrennt lebenden sind aktiver, dafür die verheirateten weniger körperlich aktiv. - Die durch die steigende Kinderzahl erhöhten Anforderung in der Familie scheinen sich bei Frauen positiv, bei Männern negativ auf ihre Aktivität auszuwirken. Je größer die Familie ist, desto inaktiver werden die Männer und desto aktiver die Frauen. Wahrscheinlich wird hier die rollenspezifische Verteilung der Anforderungen in der Familie sichtbar. - Daß soziale Ungleichheit einen starken Einfluß auf die Bewegungskultur einer Person haben kann, zeigt sich bei den Indikatoren zur Ausbildung, zur beruflichen Situation und zum Einkommen. Höher gebildete Männer und Frauen sind aktiver. Kaderleute haben bei beiden Geschlechtern die beste Bewegungskultur, während die Topleute (DirektorInnen) zusammen mit den Arbeitern eher eine Risikogruppe darstellen. Hausmänner, RentnerInnen und arbeitslose Frauen und Männer sowie voll- und teilzeiterwerbstätige Frauen stellen förderungswürdige Gruppen dar. Geringes Einkommen geht mit weniger Bewegung einher. Hingegen scheinen auf den ersten Blick ungünstige Arbeitsbedingungen wie höhere Arbeitszeit und Nacht- oder Schichtarbeit keine wirksamen Restriktionen für die körperliche Aktivität darzustellen. - Die körperliche Konstitution stellt ein Risiko für Bewegungsabstinenz dar. Kleine und übergewichtige Personen gehören mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Gruppe der Inaktiven. Körpergrößebedingte Unterschiede verdeutlichen die Notwendigkeit einer differenzierten Sichtweise bezüglich der zu fördernden Sportarten. - Wie nicht anders zu erwarten, "korrelieren" auch BMI und Sport (tendentiell) steigende Inaktivität bei steigendem BMI). Allerdings, wahrscheinlich hervorgerufen durch methodische Mängel, nicht in dem Maß, in dem man es erwarten würde. - Körperliche Aktive weisen eher günstigere Blutdruckwerte auf als Inaktive. Daß diejenigen, die über ihren Blutdruck nicht Bescheid wissen, auch die unsportlichsten sind, interpretieren wir als Zeichen eines allgemein schlechteren Gesundheitsbewußtseins. - Bei den gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen zeigt sich das erwartete Bild: Ernährungsbewußte treiben auch mehr Sport, körperlich Aktive sind beim Alkoholkonsum eher im Mittelfeld und nicht - wie vielleicht erwartet würde - bei den Abstinenten zu finden. Zudem rauchen sie weniger, stellen hier für die Gesundheitsförderung eine besonders interessante Gruppe dar. Sie scheinen die Änderung in ihrem Lebensstil zumindest nicht mit Sport zu kompensieren, was eigentlich naheliegend wäre. - Körperliche Beschwerden sind mit der körperlich-sportlichen Betätigung invers assoziiert. Je mehr Sport, desto weniger Beschwerden oder möglicherweise eben umgekehrt je mehr Beschwerden, desto weniger Sport. Hier ist die Regel, Querschnittdaten nicht kausal zu interpretieren, besonders wichtig und auch besonders gut zu verstehen. Ersteres würde für die gesundheitsprotektive Wirkung von Sport sprechen, das zweite eher für die Notwendigkeit von angemessenen Bewegungsprogrammen für Personen mit Beschwerden. - Intensives Sporttreiben scheint sich vor allem bei Männern eher ungünstig auf die Gelenke auszuwirken, während moderater Sport auch im Vergleich zu Bewegungsabstinenz günstig erscheint. - Arbeitsunfähigkeit und teilweise auch Bettlägrigkeit sind mit Inaktivität und moderatem Sport, nicht aber mit intensivem Sport, assoziiert. - Körperlich inaktive Personen nehmen im Durchschnitt die Dienstleistungen des Gesundheitssystems öfters in Anspruch und weisen durchschnittlich auch mehr Spitaltage auf als die Aktiven. Eine Ausnahme - in dem Sinn, daß hier keine statisch bedeutsame Unterschiede vorliegen - bilden die Beratungen in der Apotheke. - Die subjektive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes ist - vor allem bei den Frauen - in beeindruckender Weise mit der sportlich-körperlichen Betätigung verbunden. - Sporttreiben steht in einem engen Zusammenhang zur Bedeutung, die man der Gesundheit zuschreibt, zu den Vorstellungen, die man sich über die Entstehung von Gesundheit und Krankheit macht und zum allgemeinen Gefühl, etwas zur Gesundheit beitragen zu können (müssen). Hoher Stellenwert der Gesundheit oder die Überzeugung, sich ihre Entstehung erklären zu können oder das Gefühl, Einfluß darauf nehmen zu können, ist mit hoher sportlich-körperlicher Betätigung verbunden. - Und nicht zuletzt zeigte sich in unseren Analysen ein starker positiver Zusammenhang zwischen sportlich-körperlicher Aktivität und den Angaben zum psychischen Wohlbefinden.