Interdisziplinarität als Herausforderung

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Thiel, Ansgar; Volk, Carmen
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:23 (2016), 2 (Interdisziplinarität), S. 8-12, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Elektronische Ressource (online) Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201711009219
Quelle:BISp

Abstract des BISp

In Zeiten des Wettbewerbs um Exzellenz an Universitäten und der zunehmenden Konkurrenz um Drittmittel ist der Begriff „Interdisziplinarität“ zum Modebegriff der Forschung geworden. Die Hinwendung zur Interdisziplinarit hat durchaus einen funktionalen Hintergrund. So ist hat nach Bendix und Bizer (2011) interdisziplinär angelegte Forschung auch eine Herangehensweise an die komplexen Herausforderung einer heterogenen, globalisierten Welt, und tritt dem Bild des Elfenbeinturmes, in dem sich seine Wissenschaftler/innen verschanzen, wirkungsvoll entgegen. Vor diesem Hintergrund gehen Verf. der Frage nach, welche Herausforderungen die Hinwendung zur Interdisziplinarität mit sich bringt. Dabei gehen sie erstens auf die derzeitig im Wissenschaftssystem beobachtbare Interdisziplinaritätsdynamik ein. Zweitens thematisieren sie die praktischen Probleme und nicht-intendierten Folgewirkungen dieser Dynamik. Drittens stellen sie kurz Beispiele für interdisziplinäre Projektverbünde mit sportwissenschaftlicher Beteiligung vor. Im Fazit wird festgestellt, dass der „Interdisziplinaritäts-Boom“ der letzten Jahre für die Sportwissenschaft im Allgemeinen und für ambitionierte Nachwuchssportwissenschaftler/innen im Speziellen viele Chancen bietet. Auch können interdisziplinäre Kooperationen durchaus zur Steigerung der wissenschaftssystemischen und öffentlichen Reputation der Sportwissenschaft beitragen. Die Fokussierung auf interdisziplinäre Forschung ist für die Sportwissenschaft aber durchaus auch riskant. In dem Maße, in dem die Orientierung an den Logiken der Verbundformate zur Vernachlässigung von Kernproblemen der Sportwissenschaft führt, wird die disziplinäre Identität der Sportwissenschaft gefährdet. Interdisziplinäre Kooperation in Großprojekten könnte in diesem Sinne (vermittelt durch wissenschaftliche Leistungswettbewerbe) paradoxerweise rückwirkend zu Verdrängungseffekten bezüglich sportwissenschaftlicher Subdisziplinen führen. Dazu kommt, dass die für interdisziplinäre Großforschung typische Anwendungsorientierung zum ernsthaften Hindernis für wissenschaftlichen Erfolg in der Scientific Community wird, wenn z. B. die Erstellung von In- fo-Materialien und praktischen Hilfen zur Vernachlässigung wissenschaftlicher Evaluationsgrößen führt. Für Nachwuchswissenschaftler/innen selbst können interdisziplinäre Kooperationen zur Steigerung der Methodenkompetenz und des Theoriewissens beitragen und damit indirekt die wissenschaftliche Qualität der Produkte wissenschaftlicher Arbeit erhöhen. Und sie eröffnen nicht selten auch die Chance, in höher gerankten Journalen als den üblichen sportwissenschaftlichen Zeitschriften publizieren zu können. Darüber hinaus verspricht interdisziplinärer Kooperation auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs Reputationsgewinne. Sich zu sehr an anderen Disziplinen zu orientieren, birgt aber auch für Nachwuchswissenschaftler Risiken, insbesondere vor dem Hintergrund der Dynamik, welche die mittlerweile öffentliche Zurschaustellung von wissenschaftlichen Leistungen mit sich bringt. So erzeugen Wissenschaftsrankings, soziale Wissenschaftsnetzwerke wie researchgate und Zitationsdatenbanken wie scholar.google nicht nur Transparenz, sondern katalysieren gleichsam auch Wettbewerbe mit der Folge, dass eben nicht nur die Kriterien der eigenen Subdisziplin zum Maßstab für individuelle Leistung werden, sondern disziplinunabhängig die Anzahl von gelisteten Publikationen sowie die Höhe der individuellen Impact-Faktoren-Summe oder des H-Index. In vielen sportwissenschaftlichen Subdisziplinen sind aber eben nicht diese Indizes die relevanten Größen bei der Vergabe von Stellen, sondern in welchem Maße die Beiträge eines/r Nachwuchswissenschaftlers/in im eigenen Fach positiv wahrgenommen werden. Junge Sportwissenschaftler/innen, die sich in interdisziplinären Projekten qualifizieren, tun also gut daran, sich nicht vom Glanz anderer Disziplinen blenden zu lassen. Die beste Karrierestrategie ist auch in interdisziplinären Projekten nach wie vor, sich im eigenen Fach einen Namen zu machen. Und das heißt wiederum, die eigenen Journale zu bedienen und dabei den Kontakt zur Sport- und Bewegungspraxis nicht zu verlieren. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)