Sportwissenschaftliche Frauenforschung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Klein, Marie-Luise
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:3 (1996), 1 (Forschungstrends I), S. 24-26
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201012009445
Quelle:BISp

Abstract

Bei den von Verf. präsentierten Anmerkungen zu den Perspektiven der sportwissenschaftlichen Frauenforschung in der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich um eine Zusammenfassung von Anregungen und Schlußfolgerungen, die sich u. a. auf der dvs-Frauenforschungstagung 1995 in Brochterbeck herauskristallisiert haben: 1. Frauenforschung hat sich gemäß ihrer Zielsetzung, soziale Ungleichheit im Geschlechterverhältnis aufzuzeigen und zu ihrer Aufhebung beizutragen, auch in der Sportwissenschaft bislang vornehmlich auf sozial- und geisteswissenschaftliche Fragestellungen konzentriert. Gleichwohl sollte künftig verstärkt interdisziplinäre Forschung vorangetrieben werden, die auch naturwissenschaftliche Ansätze bzw. bewegungs- und trainingswissenschaftliche Sichtweisen einbezieht, um die Erkenntnisse über Bewegung und Sport in der Entwicklung von Mädchen und Jungen zu erweitern. 2. In den letzten Jahren ist ein deutlicher Trend dahingehend zu verzeichnen, Frauenforschung hin zu einer Geschlechterforschung zu erweitern, um vor allem das Geschlechterverhältnis ins Blickfeld zu rücken. Für die sportwissenschaftliche Forschung bedeutet die neue Fokussierung, das Erleben und Handeln von Mädchen und Frauen im Sport stets mit Blick auf die gemischtgeschlechtliche Welt und in Beziehung zu Jungen und Mädchen zu erforschen. 3. Eine solche relationale Analyse ist nicht nur bezogen auf die soziale Differenz zwischen Frauen und Männern angebracht, sondern auch im Hinblick auf das eigene Geschlecht. Es gibt nicht „die“ Frau im Sport, vielmehr sind alters- und klassenspezifische Heterogenitäten ebenso zu beachten wie ethnische Differenzierungen. 4. Die bisherige Suche nach Unterschieden zwischen den Geschlechtern hat möglicherweise oftmals den Blick für die besonderen, z. B. schichtspezifischen Produktions- und Reproduktionsregeln von Sportarten verstellt. Produktiv könnte es sein, aus dem sozialökologischen Kontext bestimmter Sportarten heraus Schlussfolgerungen für das Geschlechterverhältnis abzuleiten und dabei zu differenzierteren Ergebnissen zu kommen. 5. Überdies erscheinen lebensweltbezogene Ansätze für die Erforschung des Geschlechterverhältnisses im Sport weiterführend. Bewegungs- und Sportbedürfnisse sind in den Zusammenhang der konkreten sozialen Bedingungen des „weiblichen“ Lebenszusammenhangs zu stellen. Geschlechtstypische Interpretationen von Sport lassen sich womöglich von da aus präziser herleiten. 6. Die Perspektive, Frauen vornehmlich als Objekte sozialer Verhältnisse oder als „Opfer“ zu betrachten, ist nicht weiter aufrecht zu erhalten. Neben den Zwängen sozialer Strukturen wäre es sinnvoller, zu untersuchen, wo Frauen an der Konstitution und Produktion von Herrschaft selbst beteiligt sind und diese in ihrem körper- und sportbezogenem Handeln aktiv mit hervorbringen. 7. Stark vernachlässigt wurde in der noch kurzen sportwissenschaftlichen Frauenforschungstradition bislang der interkulturelle Vergleich. Allein in Europa existieren sehr unterschiedliche Bedingungen für die Entwicklung des Sports der Frauen. In vielen Ländern haben sich bereits in einem frühen Stadium der Sportbewegung eigene Frauensportorganisationen gegründet. Weitere Fragestellungen wären z. B., welchen Einfluss die Globalisierung und Internationalisierung der Sportkultur auf die Entwicklung des Sports der Frauen und Mädchen in Deutschland genommen hat. Angesichts unserer multikulturellen Gesellschaft wäre es zudem naheliegend zu untersuchen, wie Migrantinnen den Sport erleben und inwieweit sie versuchen, an Traditionen aus ihren Herkunftsländern anzuknüpfen. 8. Fruchtbar erscheint die Weiterführung einer engen Theorie-Praxis-Verzahnung, wie sie z. B. in dem Brochterbeck-Projekt „Mädchen- und frauenparteiliche Bewegungs- und Kommunikationskultur“ praktiziert wird. Aus solchen Praxismodellen heraus entstehen neue Impulse für die Theoriebildung, z. B. im Bereich der Sozialforschung, aber auch für didaktische Modelle und organisationssoziologische Ansätze. 9. Die theoretische Diskussion innerhalb der Geschlechterforschung richtet ihr Augenmerk zunehmend auf die Analyse der Diskurse, die das System der Zweigeschlechtigkeit hervorbringen. So interessiert z. B. die Frage, wie, warum und durch wen das soziale Feld des „Frauensports“ auf der einen und des „Männersports“ auf der anderen Seite immer wieder diskursiv hervorgebracht und wie die symbolische Ordnung des Sports legitimiert und kulturell repräsentiert wird. 10. Bezüglich der Forschungsmethodologie besteht gegenwärtig weitgehend Konsens, dass es keine spezifische Methoden der Frauenforschung gibt. Allerdings ist eine besondere Akzentuierung des qualitativen Paradigmas der empirischen Sozialforschung zu verzeichnen. Hier dominieren z. Zt. biographische Ansätze. Gleichwohl haben auch quantitativ angelegte empirische Studien einen wichtigen Stellenwert in der sportwissenschaftlichen Frauenforschung. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)