Sportpsychologische Forschung: Schwerpunkte, weiße Flecken und Trends

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Alfermann, Dorothee
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:3 (1996), 1 (Forschungstrends I), S. 14-18, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201012009443
Quelle:BISp

Abstract

Erste Frage: Welche Forschungsfragen werden derzeit in der Sportpsychologie besonders häufig bearbeitet? Antwort: Folgende Schwerpunkte sind derzeit in der Europäischen Sportpsychologie en vogue: 1. Forschungsmethoden und Methoden empirischer Modellüberprüfungen; 2. Emotionen; 3. Geschlechterrollen und Geschlechterunterschiede; 4. Beziehungen zwischen Athlet und Trainer (z. B. Führungsstile; Interaktionsmuster) – Karriereentwicklung und -übergänge; 5. Sport und Persönlichkeit; 6. motorisches Lernen und motorische Leistungsfähigkeit und 7. psychologische Interventionsmethoden (Verhaltensmodifikationsprogramme, Psychoregulationsverfahren, Selbstinstruktionsmethoden). Zweite Frage: Wo sind weiße Flecken? Antwort: In Brüssel auf dem Europäischen Kongress für Sportpsychologie 1995 fehlten Fragestellungen aus der Entwicklungspsychologie, aus der sozialpsychologischen Forschung zu Gruppen und Mannschaften, zu Zuschauern und zu Medieneinflüssen weitgehend. Auch die im amerikanischen Raum viel beachtete Thematik des Selbstkonzepts und der Selbstwirksamkeit wurde kaum behandelt. Letztere ist in Deutschland etwas stärker vertreten. Aber auch hier liegt insbesondere die entwicklungs- und die sozialpsychologische Forschungslandschaft in der Sportpsychologie im Argen. Betrachtet man die Anwendungsfelder, so ist zwar zweifelsohne die leistungssportbezogene Forschung zugunsten des Gesundheitssports zurückgegangen, aber beide Anwendungsfelder sind tragende Säulen der Sportpsychologie. Als Stiefkind der Forschung stellt sich derzeit der Sportunterricht dar. Jedenfalls ist auffallend, dass die in den siebziger und auch noch achtziger Jahren zu beobachtende empirische Unterrichtsforschung in der Sportpsychologie weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Dritter Aspekt: 3. Sportpsychologie auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Antwort: Für die Zukunft ist abzusehen, dass gesundheitspsychologische Fragestellungen im Sport weiter eine wichtige Rolle spielen werden. Gerade weil der Lebensweise und der Eigeninitiative für die Gesunderhaltung und Krankheitsvermeidung in der Gesellschaft inzwischen ein so hoher Stellenwert eingeräumt wird, werden psychologische Fragestellungen im Gesundheitssport weiter wichtig sein. Zunehmen wird dabei die Bedeutung des Sports im höheren und hohen Alter, allein schon aufgrund der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft. Die Wirkungen von Sport und Bewegung auf Alternsprozesse und ihre Funktion für ältere Menschen wird mehr in den Blickpunkt der Sportpsychologie rücken (müssen). Aber nicht nur in der Prävention, auch in der Rehabilitation werden sportpsychologische Fragestellungen eine weiterhin wichtige Rolle spielen und sogar zunehmen. Eine Hinwendung zu sozialpsychologischen Fragen ist schon deshalb zu erwarten, weil das Wissen um soziale Interaktionsprozesse und soziale Kompetenzen in modernen Gesellschaften zu zentralen Schlüsselqualifikationen werden. Eine Beschäftigung damit ist nötig. Die Medienwirkungsforschung ist von der Sportpsychologie noch nicht entdeckt worden. Die sozialen Prozesse im Sport sind erst in Ansätzen untersucht. Auch Fragen der Zuschauerwirkungen bei Sportveranstaltungen sind wenig untersucht. Stattdessen konzentrierte man sich vor allem auf Aggression im Sport. Sportpsychologie sollte sich wieder mehr auf unterrichtsbezogene Fragestellungen konzentrieren und in dem Rahmen insbesondere soziale Interaktionsprozesse untersuchen. Dies täte auch in der Frage der Trainer-Athlet-Beziehung not. Weiterhin wird die Frage der Motivierung und Bindung an Sport nach wie vor sehr wichtig bleiben. Nicht ganz abzuschätzen ist die Forschungssituation für leistungs- und leistungssportbezogene Forschung. Da die Förderpolitik des Bundesinstituts für Sportwissenschaft immer restriktiver wird, und zugleich die Stellensituation der Sportpsychologie im Leistungssport alles andere als befriedigend ist, ist ein Rückgang in der Forschung eine naheliegende Konsequenz. Ob sportpsychologische Forschung im Leistungssport wieder einen höheren Stellenwert bekommt, wird vom Stellenwert des Leistungssports in unserer Gesellschaft insgesamt abhängen. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)