Zu Frage der Anwendungs- und Grundlagenorientierung in der Sportwissenschaft

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Schack, Thomas; Nitsch, Jürgen R.
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:8 (2001), 1 (Sportwissenschaft zwischen Theorie und Praxis & Interdisziplinarität), S. 9-15, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201009006622
Quelle:BISp

Abstract

Auch wenn die Sportwissenschaft in Deutschland bis heute eine bemerkenswerte institutionelle Struktur entwickelt hat, ist doch ihre aktuelle Lage maßgeblich abhängig von Stabilität und Wandel ihrer Eckpfeiler, nämlich Gesellschaft, Sport und Wissenschaft. Diese Eckpfeiler sind höchst instabil geworden, d. h. sie sind einem umfassenden und rapiden Wandel unterworfen. Aus diesem Wandel erwächst auch Unsicherheit hinsichtlich der wesentlichen Orientierungen für das tägliche Handeln im Bereich der Sportwissenschaft. Fragen hinsichtlich einer stärker anwendungs- oder grundlagenorientierten Sportwissenschaft ergeben sich allerdings nicht nur durch den angedeuteten Wandel, sondern schon durch die komplexe Einbettung dieser Wissenschaftsdisziplin, die sich zwischen den o. g. Eckpfeilern und damit auch zwischen Theorie und Praxis aufspannt. Die grundlegenden Bezüge sportwissenschaftlicher Disziplinen lassen sich am Beispiel der Sportpsychologie exemplarisch verdeutlichen. So erscheint die Sportpsychologie dreifach verankert. Erstens ist sie anwendungsorientierte Disziplin der Psychologie, zweitens ist sie Teildisziplin, drittens ist sie ein wissenschaftliches Anwendungsfeld in der Sportpraxis. Wie die Sportpsychologie so sind auch andere sportwissenschaftliche Teildisziplinen in eine Reihe von Bezügen eingebunden. Die Zukunft der Sportwissenschaft wird auch davon abhängen, wie vollständig und wie differenziert die jeweiligen Teildisziplinen die aufgezeigten und (je nach Teildisziplin) weitere bzw. andere Bezüge beachten. Die Bezüge und Verankerungen stellen beachtenswerte Rahmenbedingungen für Handeln in der sportwissenschaftlichen scientific community dar. Dabei sind einzelne Disziplinen der Sportwissenschaft im Hinblick auf die jeweiligen Bezugswissenschaften (Soziologie, Psychologie, Philosophie etc.) eher Anwendungsdisziplinen. Sie können aber keinesfalls als reine Anwendung des Wissens und der Techniken in den Grundlagendisziplinen aufgefasst werden. Zur Lösung ihrer praktischen, im Rahmen des Sports anfallenden Aufgaben mussten sie eigenes Wissen erarbeiten, z. B. hinsichtlich psychischer Sachverhalte, die allein im Sport auftreten (etwa Sportangst), aber auch hinsichtlich spezifischer diagnostischer Verfahren oder soziologischer Strukturen. Eine weitere Quelle originär sportwissenschaftlichen Wissens liegt darin, dass sich verschiedene Disziplinen mit einem weitgehend identischen Gegenstand beschäftigen, nämlich mit Bewegung und Handeln im Sport und den entsprechenden kulturellen Rahmenbedingungen. Damit werden potentiell interdisziplinäre Bezüge möglich und zum Zweck der Erhaltung und Entwicklung von Sport und Sportkultur auch nötig. In diesem Rahmen wird nicht nur Sportwissenschaft entwicklungsfähig, sondern es gehen auch wieder Anregungen und Wissen an die Bezugswissenschaften zurück. So sind Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten der Bewegung auch beispielsweise wieder für Disziplinen der Psychologie (etwa Arbeitspsychologie) oder etwa die Kognitionswissenschaft interessant. Damit erscheint es insgesamt erforderlich zu sein, ein ausgewogenes Verhältnis von Grundlagen- und Anwendungsorientierung zu suchen. Die Sportwissenschaft allein als Anwendungswissenschaft zu betrachten, wäre nach den hier skizzierten Zusammenhängen problematisch. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)