Klassenkampf im Flutlicht - Innerdeutscher Sportverkehr 1974-1989

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Braun, Jutta
Erschienen in:Sport in der DDR. Eigensinn, Konflikte, Trends
Veröffentlicht:Köln: Sport u. Buch Strauß (Verlag), 2003, S. 61-132, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
DDR
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200407002005
Quelle:BISp

Abstract

1974 unterzeichneten der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB) und der Präsident des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) in Ost-Berlin ein Grundsatzabkommen. Hierin wurde festgelegt, dass die innerdeutschen Sportkontakte künftig im Rahmen von Jahresplänen abgestimmt werden sollten. Die DDR galt als Sportwunder. Doch trotz dieser sportlichen Überlegenheit gaben sich SED und ostdeutsche Sportführung kleinlich und restriktiv, sobald der nachbarliche Sportaustausch auf der Tagesordnung stand. Die Anzahl der sportlichen Vergleiche wurde soweit wie möglich begrenzt, deutsch-deutsche Beziehungen von der DDR-Presse totgeschwiegen und die Stadien wurden bei hochrangigen Spielen mit Stacheldraht und Staatssicherheit verbarrikadiert. Sportarten, denen keine Hochleistungsförderung durch den SED-Staat zuteil wurde, blieben vom innerdeutschen Sportverkehr weitgehend ausgeschlossen. Die Schwerpunkte der zweiseitigen Begegnungen lagen im Fußball, Handball, Volleyball und in einigen Wintersportarten. Bei Begegnungen in Ost- und Westdeutschland wachte ein als Begleitung bzw. Delegationsleiter eingesetzter DTSB-Funktionär über das Verhalten des DDR-Teams. Gespräche zwischen ost- und westdeutschen Sportlern wurden zu unterbinden versucht. Jedoch funktionierte die von den Ost-Spielern erwartete strenge persönliche Abgrenzung in der Realität nicht. Ein zentrales Element der politischen Schulung - die Sicht des sportlichen Gegners als politische Bedrohung - zeigte damit an der Basis des innerdeutschen Sportverkehrs keine Durchschlagkraft. Verf. berichtet von einzelnen Zwischenfällen bei deutsch-deutschen Sportkontakten sowie über die dann folgenden Reaktionen von Seiten der DDR und der BRD. Kamen westdeutsche Fußballer im Rahmen des innerdeutschen Sportverkehrs in die DDR wurden die ostdeutschen Fans von den Fußballspielern ferngehalten. Bundesdeutsche Politiker und der DSB hielten die eigene sportliche Basis oftmals vergebens zur Unterstützung der deutschen Sache an, während auf der anderen Seite der Mauer eine spontane Identifikation der Fans mit dem bundesdeutschen Fußball stattfand, die von den SED-Machthabern als unerwünschtes gesamtdeutsches Bekenntnis gefürchtet und bekämpft wurde. Die Flucht von Leistungssportlern war für die DDR von erheblicher Brisanz: Verlust einer repräsentativen Spitzenkraft und deren künftiger möglicher Einsatz für den Klassenfeind. Verf. schildert den Fall vom Spitzenschwimmer Jens-Peter Berndt, der sich 1985 auf der Rückreise von einem Wettkampf während einer Zwischenlandung in den USA absetzte. 1990 startete er in Seoul für Westdeutschland. Die Auftritte der DDR-Sportstars in der Friedensbewegung erschienen wie ein schwacher Nachhall der ostdeutschen Propagandaversuche im Sport der frühen Bundesrepublik. Am 17.11.1989 war zwischen den Präsidenten von DTSB und DSB vereinbart worden, die Gestaltungen des Sportverkehrs zukünftig den Vereinen und Verbänden zu überlassen. Weinke