Individualtaktisches Entscheidungshandeln im Fußball: "Denken lähmt, und Handeln macht gewissenlos!"

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Höner, Oliver
Erschienen in:Fußball vor der WM 2006 : Spannungsbogen zwischen Wissenschaft und Organisation. Ausgewählte Beiträge anlässlich der 19. Jahrestagung der dvs-Kommission Fußball in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft vom 19.-21. November 2003 in der Herrmann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken
Veröffentlicht:Köln: Sport u. Buch Strauß (Verlag), 2003, S. 91-105, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200402000414
Quelle:BISp

Abstract

Im Fußball kommt es häufig zu individualtaktischen Entscheidungssituationen, die sich mit dem Ausspruch "Denken lähmt und Handeln macht gewissenlos!" charakterisieren lassen. Damit ist gemeint, dass Spieler auf der einen Seite oft wie "gelähmt" so lange über mögliche Anspielalternativen nachdenken, dass sie nicht mehr zur Handlung kommen. Auf der anderen Seite gibt es Situationen, in denen Spieler eine feste Absicht fassen (z. B. einen Alleingang mit anschließendem Torschuss) und sich derart auf diese Absicht konzentrieren, dass sie ganz "gewissenlos" mögliche Angriffsalternativen (z. B. das Anspiel des Nebenmanns) nicht mehr wahrnehmen. Dieses Dilemma wird in der Kognitionspsychologie als "Abschirmungs-Unterbrechungs-Dilemma" der Handlungskontrolle bezeichnet. Die aus dem "Abschirmungs-Unterbrechungs-Dilemma" resultierenden Phänomene des "lähmenden Denkens" und "gewissenlosen Handelns" sind nicht mit mangelnden technischen Fertigkeiten oder konditionellen Fähigkeiten zu erklären. Sie sind vielmehr individualtaktische Fehler im Entscheidungshandeln, denen kognitive Prozesse der Informationsaufnahme und -verarbeitung zu Grunde liegen. Verf. unterzieht das individualtaktische Entscheidungshandeln einer kognitiv-handlungstheoretischen Betrachtung und beleuchtet sensorisch-kognitive Faktoren des Entscheidungshandelns mit der Methode der Blickregistrierung (Eye-Tracking). Im Lichte dieser theoretischen und methodischen Herangehensweise wird in einem Laborexperiment zunächst die Qualität von Entscheidungshandlungen in Abhängigkeit von fußballspezifischen Personenmerkmalen (z. B. Spielniveau, Spielposition) betrachtet. Darauf aufbauend wird analysiert, inwiefern sich während des Entscheidungsprozesses kognitive Orientierungen mit unterschiedlicher Bereitschaft zur Informationsaufnahme identifizieren lassen, die eine kognitiv-handlungstheoretische Einordnung des "Abschirmungs-Unterbrechungs-Dilemmas" erlauben. In einer dritten Fragestellung wird nach personenbedingten Unterschieden hinsichtlich des Verlaufs und des Ausmaßes der Informationsaufnahme während der Entscheidungsprozesse gesucht. Daran anschließend werden die Ergebnisse des Laborexperiments zusammenfassend diskutiert und Perspektiven für die Praxis aufgezeigt. Schiffer