Freizügigkeit und Kommerzialisierung: Folgen für nationale Auswahlmannschaften

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Büch, Martin-Peter
Erschienen in:Fußball vor der WM 2006 : Spannungsbogen zwischen Wissenschaft und Organisation. Ausgewählte Beiträge anlässlich der 19. Jahrestagung der dvs-Kommission Fußball in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft vom 19.-21. November 2003 in der Herrmann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken
Veröffentlicht:Köln: Sport u. Buch Strauß (Verlag), 2003, S. 39-48, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200402000410
Quelle:BISp

Abstract

Die Freizügigkeit einer offenen Gesellschaft, in der freier Handel, also Kommerzialisierung, möglich ist, hat auch nationale Auswahlmannschaften auf spezifische Weise betroffen. So war es vor dem sog. Bosman-Urteil vom 15. Dezember 1995 lohnend, Spieler auszubilden, denn bei einem Wechsel von einem Verein zu einem anderen Verein erhielt der ausbildende Verein eine Transferentschädigung. Zudem waren aufgrund der beschränkten Ausländerklausel die Auswahlmöglichkeiten für Vereine zugunsten der Nachwuchsspieler günstiger. Durch das Bosman-Urteil wurden die Vereine zweifach getroffen: 1. Die Werte, die durch die Verträge mit den Spielern verkörpert wurden, waren plötzlich wertlos. 2. Die Vereine konnten nun ohne Zahlung einer Transferentschädigung Spieler verpflichten. Nach Bosman mussten die Vereine also umdenken und sich neu orientieren. Es zeigte sich, dass die Vereine - rational handelnd - sich leistungsstarke, aber vergleichsweise preiswertere und leistungswilligere Ausländer verpflichteten. Daraus folgt, dass die Vereine sich nicht mehr intensiv für den Einsatz junger Nachwuchsspieler einsetzen werden, da Erfolge durch den Einsatz von erfahrenen und mitunter älteren ausländischen Spielern, die ja gerade aufgrund ihrer Spielstärke geholt werden, eher möglich sind. Dies bringt die Nachwuchsspieler in eine schwierige Situation: Zum einen hat sich durch das Engagement ausländischer Spieler das Leistungsniveau erheblich nach oben verschoben. Dies ist für junge Nachwuchsspieler nur durch permanentes Training mit hohem Zeitaufwand erreichbar. Wer nicht mehr damit rechnen kann, einmal eine Karriere als Profi machen zu können, wird sich stattdessen um eine berufliche Karriere kümmern müssen. Zum anderen setzen Trainer im Zweifelsfall trotz eines hohen Leistungsniveaus der Nachwuchsspieler eher auf erfahrene Spieler, weil diese Ausgeglichenheit, Durchhaltevermögen, Reife und damit eine bessere Spielübersicht mitbringen. Was aus Sicht der Vereine, die sich zu "global players" entwickelt haben, rational erscheint, steht in Konflikt mit den Verbandszielen. Ziel des DFB muss es sein, die Entwicklung des Fußballsports zu fördern und den Fußballsport mit Hilfe nationaler Auswahlmannschaften international zu vertreten. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass eine starke Nationalmannschaft für die Vermarktung der Liga und ihrer Vereine unverzichtbar ist. Bei zunehmender Globalisierung suchen die Menschen darüber hinaus eine Möglichkeit der Identifikation und für viele ist das "unsere Nationalmannschaft". Vor diesem Hintergrund erscheinen nach Verf. folgende Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation im Nachwuchsbereich sinnvoll: 1. Optimierung der Ausbildungskonzepte der Trainer und Spieler. 2. Förderung der Spielpraxis bspw. durch Juniorenwettbewerbe mit überregionalem Charakter. 3. Karriereplanung im Fußball. 4. Erhöhung der Herausforderung an Trainer, Talente zu erkennen, zu entwickeln, zu fördern und in spielstarke Mannschaften zu integrieren. 5. Setzen neuer Anreize für Trainer, z. B. dadurch, dass der Verein für jeden neuen Auswahlspieler eine Prämie erhält. Schiffer