Vom Freizeitvergnuegen zum Pflichtfach - Der Hochschulsport in Deutschland

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Kirste, Inke
Erschienen in:Leipziger sportwissenschaftliche Beiträge
Veröffentlicht:34 (1993), 1, S. 120-129, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISSN:0941-5270
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU199707205774
Quelle:BISp

Abstract des Autors

Die etwa 100jaehrige Entwicklung des Sports an den Universitäten ist gekennzeichnet von einer zunehmenden Formalisierung. Unter Heranziehung des Freizeitmodells von Norbert Elias lassen sich folgende Etappen vom Freizeit- zum Pflichtsport aufzeigen: Anfangs haben einzelne Studenten individuell Leibesuebungen betrieben. Der erste Formalisierungsgrad ist erreicht, wenn die Turnbewegung eine breitere Oeffentlichkeit erfasst. Das geschieht durch die Turnerbuende nach den Befreiungskriegen und die Turnvereine in den Staedten im Umfeld der 48er Revolution sowie die Studentenverbindungen mit Turn- oder Fechtprinzip. Mitte des 19. Jahrhunderts wird das Turnen an den Schulen als Pflichtfach eingefuehrt. Dort ist es also bereits bei seiner hoechsten Formalisierungsstufe angelangt. Die Entwicklung an den Schulen koennte darauf hindeuten, dass, wenn der Einfluss des Staates an den Universitaeten gross genug ist, auch dort so verfahren wird. Die zweite Formalisierungsstufe beginnt mit der Abspaltung der akademischen Turnriegen vom buergerlichen Turnverein um die Jahrhundertwende. Durch materielle Zuwendungen, z.B. Turnlehrerhonorar und Hallenmiete, ist der studentische Turnverein in einem gewissen Masse von der Universitaet abhaengig. Nun gibt es nicht mehr nur bestimmte Regeln innerhalb des Vereins, sondern auch Verpflichtungen gegenueber der Universitaet. In den 20er Jahren vollzieht sich die dritte Formalisierung. Der Sport wird als regulaeres Fach vorerst an einzelnen Universitaeten angeboten und zaehlt in aehnlichem Masse wie andere Faecher. Es gibt mittlerweile ausgebaute Institutionen fuer den Sport an den Hochschulen und auch in der Studentenschaft. Eine generelle Wirkung der dritten Formalisierungsstufe wird in der Zeit der Errichtung der Nazionalsozialistischen Herrschaft erreicht. Der Universitätssport wird zur Pflicht fuer jeden Studenten an allen Hochschulen. Bewegte sich in anderen Laendern Europas der Universitaetssport auch von einem reinen Zeitvertreib einzelner Studenten zu immer hoeheren Formalisierungsstufen, so doch nicht bis zu dieser Endkonsequenz wie in Deutschland. Verf.-Referat